Testbericht: Destiny 2

PC-Version, getestet von Timo Schmidt am

Am 08. September dieses Jahres erblickte die Fortsetzung eines MMOs aus dem Hause Bungie auf Konsolen das Licht der Welt: Destiny 2. Das Spiel erschien zunächst zeitexklusiv auf der Playstation 4 und Xbox One; ist nun aber seit dem 24. Oktober auch auf den heimischen Rechnern über Activision Blizzards Battle.net-App vertreten. Ob das Spiel den Vorgänger in den Schatten stellen kann – sowohl inhaltlich als auch spielerisch und allem voran der PC-Port seine Versprechen hält, sind hier nun die größten Fragen.

Destiny 1 war mein ganz persönliches Hassliebe-Spiel. Nicht wenige erinnern sich nur zu gern an die vermeintliche Hoch-Zeit: als der Loot des MMOFPS/RPGs derart spärlich gesät war, dass Exploits der Spielergemeinschaft Abwechslung boten. Bungie hatte bei der Umsetzung seiner jahrelangen Vision einer interstellaren Online-Reise ein Paar Fehler in der Rechnung, welche erst mit den nachfolgenden Add-Ons aufging: Das Spiel wusste zu fesseln, konnte aber unfassbar repetitiv werden.

Die-Hard-Fans wie meine Wenigkeit ließen sich jedoch dennoch nicht davon abhalten, mehr als 400 Stunden in das Spiel zu stecken. Nicht selten wurden nächtelang Subreddits durchforstet, weil das Entwicklerteam hier und da gekonnt Geheimnisse in der Spielwelt versteckten – während auf der anderen Seite beinahe die gänzliche Lore auf externe, digitale Sammelkarten ausgelagert wurde.

Die Angst, dass man mit Destiny 2 dieselben alten Fehler wiederholt, ist also berechtigt – obgleich das Team aus dem Hause Bungie mit allen Inhalten nach dem Addon The Taken King schlichtweg alles richtig machten und somit genug Erfahrungen gesammelt haben dürften. Wie sich nun heraus stellte: Weit gefehlt.

Schöne neue Welt

Alles auf Anfang: Ungleich zum Vorgänger legte der Entwickler aus Washington zu Release einen beinahe reibungslosen Start hin. Nur wenige plagten über Verbindungsfehler und viele konnten sich gleich ins Getümmel stürzen. PC-Spieler schauten jedoch wegen der Verzögerungen bis zum 24. Oktober in die Röhre: Das externe Entwicklerteam benötigte für die Optimierungsarbeiten der PC-Fassung noch einige Zeit.

Etwas, was schon im Vornherein für viel Unbehagen sorgen wollte: PC-Portierungen und Konsolen-Portierungen genießen gleichermaßen einen ungesunden Ruf. Meist stimmen die Optionen oder technischen Features nicht; manchmal ist ein Teil des Spieles schlicht unspielbar. Doch die Offenbarung am Abend Ende Oktober sollte uns belehren: Frohlocket, Bungie hat es geschafft, den wohl besten PC-Port aller Zeiten aufs Parkett zu legen.

Während beide Konsolenfassungen trotzig an der 30-fps-Marke haltmachen, kann man mit Fug und Recht die PC-Portierung als „Definitive Version“ von Destiny 2 betiteln: Butterweich mit 144 Bildern pro Sekunde auf einer nativen 1.440p-Auflösung spielte sich das Spiel auf unserem Testsystem mit maximierten Einstellungen wie ein zweiter Trip in die Flitterwochen. Will sagen: Destiny 2 rockt auf dem PC. Bravo und Gratulation Bungie.

Handlung ohne Stränge?

Das Spiel beginnt nicht etwa da, wo Teil 1 aufhört. Nein – vielmehr einige Zeit nach den Ereignissen der letzten Addons. Der Frieden hielt Einzug und wir kehren als Hüter gerade wohl von der letzten Patrouillie zurück – als eine Armee von Kabalen (einer kriegerisch elitären Rasse, die wie gepanzerte Nacktmulls aussieht) die letzte sichere Stadt auf der Erde angreift und kurzerhand den Reisenden – unseren im Spiel quasi allmächtigen Beschützer und Segen – ein kassiert. Was folgt sind eine Kette von Missionen, um die drei versprengten Mitglieder der Ur-Vorhut zusammen zu führen: Cayde-6, Ikora und Commander Zavala. Alle drei Ikonen gleichermaßen (mit ihren eigenen Charakterzügen, welche man lieben lernen wird), haben sich auf entlegenen Planeten und/oder Monden zurückgezogen, um heraus zu finden wie all das passieren konnte.

Und bereits hier beginnen die Kopfschmerzen eines „Day 1 Fans“, wie ich es bin: Gleich zu Beginn werden von Schlüsselfiguren derart falsche Entscheidungen getroffen, dass man nur die Stirn runzeln konnte. Gerade in Anbetracht der Taten abertausender Hüter in der Vergangenheit (in deren Haut wir steckten), hätte sich die Handlung völlig anders entwickeln können und vor allem SOLLEN. Das mag auf den ersten Blick Nitpicking erster Güte erscheinen, so ist die Kampagne im Vergleich zum Vorgänger deutlich imposanter und hochwertiger inszeniert, sowie von filmreifen Cutscenes gespickt. Doch der herbe Nachgeschmack bleibt einem auf der Zunge – zumindest, wenn man den Vorgänger kennt.

Und auch hier geht es bereits mit der Kopfschüttelei weiter: PC-Spieler, welche nun Ende Oktober jungfräulich an das Thema Destiny gingen, wurden einfach in die Geschichte geschmissen – ohne irgendwelche Erklärungen. Ohne ein „Was bisher geschah“-Element. Auf der Konsole hingegen werden dem Spieler mit einer sogenannten „Legacy“-Sequenz alle Taten aus dem Vorgänger inklusive der Namen derer, die uns dabei begleiteten, vor Beginn des Spiels gezeigt. Das hätte man deutlich galanter lösen können. Auch der Twist, wie im späteren Spielverlauf „alles wieder gut wird“ ist schlichtweg hanebüchen.

An dieser Stelle lässt sich streiten, ob das Spiel nicht besser auf einer Art und Weise hätte erweitert werden sollen, wie es beispielsweise ein World of Warcraft macht. Ein Spiel, konstanter Inhaltszuwachs durch Erweiterungen. Somit hätten auch Jünger der „PCMasterRace“ die Chance gehabt, in den Genuss aller vergangenen Inhalte des Spiels zu kommen. Hätte, hätte, Fahrradkette.

Vermeintlicher Angeber im Technikunterricht

Trotz allem glänzt Destiny 2 mit einer technischen Umsetzung, auf die andere Vertreter des Genres neidisch sein dürften: Die Texturen sind gestochen scharf, Akustik und Spielwelten erste Sahne. Die neuen Gebiete strotzen vor vielen kleinen Details am sprichwörtlichen Wegesrand und die neuen Mini-Dungeons alias „verlorene Sektoren“ machen einiges her und bieten auf den ersten Blick einiges an Fußfutter. Leider mangelt es an abwechslungsreichen Events in der offenen Spielwelt; so sind diese nach dem x-ten Mal eher frustrierend als spannend. Herausfordernd zwar allemal, doch da ginge mehr.

Akustisch gestaltet das Spiel mit seinem Soundtrack und der individuellen Soundeffekte bei jeder Waffe ein Kunstwerk, an dem man sich kaum satthören kann. Schüsse knallen nicht nur unsere Gegner vom Schirm, der Soundtrack aus der Feder vom Komponisten Michael Salvatori begeistert und untermalt jede Situation passend.

Das Gunplay – also das Spielgefühl der Shooter-Elemente – ist, um es mal in Internetslang auszudrücken, förmlich „lit“. Gerade mit der Maus und Tastatur, aber auch am Controller fühlt sich Destiny 2 wahrlich hochpoliert und sauber an. Das Zielen funktioniert auf allen Plattformen exzellent; was maßgeblich an Bungies Erfahrungen mit der Ur-Reihe Halo liegen dürfte.

Nicht perfekt

Zu gerne hätte ich das Sprichwort „Bungie kleckert nicht, sondern klotzt“ in den Testbericht eingebaut. Aus gegebenen Umständen und der daraus resultierten Verzögerung dieser Review (und deren Umfang geschuldet) fühle ich mich gezwungen, hier ins Detail eines Langzeittests zu gehen:

Destiny 2 ist nicht perfekt. Ganz im Gegenteil: Nach Durchspielen der Haupthandlung erreicht der Spieler das maximale Level von 20; woraufhin die Jagd nach immer besserer Ausrüstung beginnt, um den power-Level anzuheben. Hierbei geht das Ganze noch bis etwa 260 ganz gut – nach der Kampagne sollten wir Power 180-200 innehaben und die Ausrüstungsgegenstände aus den Open World Events sowie den herausragenden, kompetitiven PVP-Modi sorgen für einen kurzweiligen Schub auf 260. Ab diesem Punkt greift eine Mechanik, die ich nie in einem Spiel leiden konnte: Ein sogenannter „Softcap“ bis Power-Level 280+ sorgt für ein unfassbar auszerrendes Grinding-Fest.

Heißt konkret: Bungie hält die Spieler hier mit einer künstlichen Bremse am Spielen, was man auch wieder aktuell an einem laufenden Event erkennt. Für Fraktionsausrüstung dürfen Marken in der Spielwelt gesammelt werden. Diese bringen einem jedoch nur bis zu einer gewissen, numerischen Grenze neue Items ein. Die Krux: Dazwischen springen beim Einlösen nicht selten unfassbar viele Duplikate heraus, sodass das Ganze nur noch willkürlicher und dadurch frustrierender wirkt.

Statt die Spieler mit abwechslungsreichen Inhalten am Ball und bei Laune zu halten, wird also eine gewisse Strecke auf dem Weg zum Maximallevel künstlich ausgebremst. Das ist kein Kavaliersdelikt, das ist eine gigantische Spieldesign-Schwäche. Auch im Test auf zwei verschiedenen Plattformen hat genau dieser Umstand für viel Verzweiflung bei mir gesorgt. Warum sollte ich Zeit in Endgame-Inhalte investieren, wenn diese nur aus recyceltem Content besteht, der mich dabei sogar behindert?

Hoffnung am Horizont

Mit der frischen Ankündigung zum kommenden Addon, das auf den Namen „Fluch des Osiris“ hört, kommt auch neue Hoffnung auf den Turm zurück – Bungie ist mittlerweile bekannt dafür, dass Erweiterungen ihre Spiele nachhaltig tatsächlich verbessern. Die größte Hoffnung von mir und auch der Community selbst (ein Blick in Reddit und Co lohnt hier) bleibt nach wie vor, dass alte(!) Quality of Life Inhalte und Verbesserungen wieder ihren Weg in das Spiel finden.

Dazu gehören auch kosmetische Farbpaletten für Ausrüstung, welche im ersten Teil noch permanent waren und in Destiny 2 nun willkürlich als verbrauchbarer Gegenstand konzipiert wurde. Dabei weiß jeder, dass Fashion und coole Rüstungsset maßgeblich zum Endgame des Spiels dazu gehören. Bis dahin bleibt Destiny 2 „nur“ ein tolles Spiel mit einer wunderbaren, technischen Umsetzung auf dem PC. Zu viele Macken, zu viele Endgame-Kniffe die frustrieren halten mich davon ab, der Fortsetzung meiner ansonsten liebsten Spiele-Marke eine bessere Wertung zu geben.

Wertung

Positiv

  • technisch höchste gelungene PC-Fassung
  • akustisch und visuell hochwertige Spielwelt
  • Verlorene Sektoren und Eastereggs
  • Gunplay aller erster Sahne
  • Liebenswerte Charaktere
  • Mehr Destiny!

Negativ

  • Handlung mit großen Logiklücken
  • PC-Spieler müssen ohne Erklärungen auskommen
  • Spielinhalte ab einem Grad sehr repititiv
  • Keine Geheimnisse wie in Destiny 1
  • Ausrüstung zugunsten von PVP "kaputt-balanciert"
  • Unnötig frustrierender Softcap im Endgame
  • Kosmetische Inhalte nichtmehr permanent

Fazit

GC-Wertung
7,5

Destiny 2 bringt vieles, was man sich gewünscht hatte und gleichermaßen vieles, dass man schon in dem Vorgänger falsch machte auf den Schirm. Es ist nicht das, was man sich vielleicht als Langzeit-Fan wünschte und doch ein gutes Spiel. Doch was sich gut anfühlt und gut aussieht, sollte auch gute Inhalte nachliefern. Etwas, das nur die Zeit, die kommende Erweiterung und Bungie selbst beantworten kann. Denn nach einer halbgaren Handlung in tollem Gewand und einem frustrierenden Endgame dürftet es die Community nach deutlicher Verbesserung.

Vielen Dank an Popular im Auftrag von Activision Blizzard für die Bereitstellung des Testmusters.