Testbericht: Attack on Titan 2

Switch-Version, getestet von Timo Schmidt am

In Action-Rollenspiel Attack on Titan 2 verfolgen wir als Mitglied einer Aufklärer-Einheit das Ziel, die Menschheit vor gigantischen Ungetümen in Menschengestalt zu beschützen. Die Zivilisation hat sich hinter Mauern verschanzt und der Ursprung der Aggressoren ist noch immer unklar. Mit Teil 2 der Spiele-Reihe führt Koei Tecmo die Handlung des namensgebenden Anime fort und lässt uns alles an Seite der Hauptprotagonisten miterleben.

Willkommen hinter der Mauer

Attack on Titan, genauer gesagt Shingeki no Kyojin, ist schon seit einer gefühlten Ewigkeit ein Phänomen für sich. Der Manga eroberte die japanischen Leser derart im Sturm, dass eine Anime-Adaption nur konsequent war. Als diese mit ihrer Dramatik und hohen Qualität derart einschlug, konnten sich auch westliche Zuschauen kaum dem Bann entziehen. Publisher Koei Tecmo hatte es sich vor Jahren zur Aufgabe gemacht, Anime-Adaptionen auf den Videospiel-Markt zu bringen – so auch die A.o.T.-Serie.

Das Spiel setzt relativ früh in der Handlung an, um auch Neulingen einen angenehmen Einstieg zu bereiten – und auch ein neues Spielelement einzuführen, das dem Titel wirklich gut steht: Ein selbst erstellter Charakter, welcher die traumatischen Erlebnisse mit eigenen Augen erlebt und an Seite der drei Titelhelden Eren, Mikasa und Armin kämpft. Hierbei wurde bewusst auf einen, quasi namenlosen Sidekick zurückgegriffen um die Handlung des Originals weitestgehend unangetastet zu lassen.

Die allgegenwärtige Gefahr ist förmlich spürbar
Die allgegenwärtige Gefahr ist förmlich spürbar

Nach einem Intro, welcher knapp vorwegnimmt, in welcher (doch sehr vorangeschrittenen) Phase des Anime das Spiel angesiedelt ist, wird der erwähnte Held erstellt. Hierbei stehen unzählige Anpassungs- und Auswahlmöglichkeiten zur Verfügung. Ein ganz großes Plus ist die Tatsache, dass dieser Charakter über den Spielverlauf hinweg stärker wird und der Entwickler uns die Handlung wie im Anime „von außen“ miterleben lässt. Nach dem Intro beginnt das Spiel ganz am Anfang der Handlung, obgleich das Spiel eine Fortsetzung ist – und wir finden uns im Ausbildungscamp wieder, wo uns alle Feature genauer erklärt werden.

Zwei Klingen, zwei Düsen, eine Bestimmung

Das Hauptaugenmerk liegt auf der exotischen Kriegsmaschinerie, die im Kampf gegen die Riesen zum Einsatz kommt: Die 3D-Kampfmanöver-Ausrüstung besteht aus einem paar Rasierklingen-Schwerter und ein mit Dampf betriebenes Haken-Set, welches sich abschießen und uns mit sich ziehen lässt. Klingt schwarz auf weiß vermutlich ziemlich unspektakulär; bietet uns im Spiel jedoch genau das Feeling, das man sich als Fan der Reihe schon immer erhofft hatte.

Mit enormer akrobatischer Präzision sausen wir über die Schauplätze hinweg und können uns gezielt durch die Lust manövrieren, um das Ziel anzuvisieren. Kein Wunder, dass das Tutorial für dieses Feature derart ausführlich ist – so wollen die zu beginn komplexen Tastenkombinationen auch erst einmal gemeistert werden. Tatsächlich wollen die Körperteile der Giganten separat ausgewählt werden und ein richtiges Timing ist bei dem Angriff auch elementar. Dafür werden wir mit einer sehr befriedigenden, jedoch serientypisch blutigen Sequenz belohnt. Hat man mal den Bogen raus, geht das Gemetzel leicht von der Hand, sofern man vom Micromanagement mit Gaskanistern, neuen Klingen und Anweisungen für Teamkameraden absieht. Doch kommt Zeit, kommt Rat.

Nach dem Camp werden die größten Handlungspunkte und Wendungen schnell abgefrühstückt, um dem Spieler einen guten Überblick über die Geschichte zu geben. Alsbald wir alles, was in A.o.T. 1 bereits behandelt wurde, erleben konnten geht es an die Expeditionen außerhalb der Mauern. Nicht immer funktioniert alles nach Plan und schnell merken wir, wie sehr wir im Nachteil gegenüber der menschenfressenden Giganten sind. Schlüsselsituationen werden durch extrem hochwertige Zwischensequenzen wiedergegeben. Diese kommen qualitativ locker an den Ursprungs-Anime heran und so kommen wir nicht umhin zu bestätigen: Fan-Service par excellence!

Hierbei dient ein kleiner Stadtteil als Hub zwischen den Missionen – zum Verbessern der Ausrüstung, kaufen und Verkaufen von Materialen, und vielem mehr. Dabei wirkt der Hub als solches jedoch nur sehr rudimentär und darf – abseits von gelegentlichen Gesprächen mit Schlüsselcharakteren, welche die Freundschaft und Affinität zu ihnen stärkt – beinahe schon vernachlässigt werden. Leider ploppen ganze Charaktere derart spät in unserer getesteten Switch-Fassung auf, dass wir das Spielelement kaum genießen konnten und man alsbald immer froh war, wenn man schnell die nächste Mission beginnen konnte.

Was verwunderlich ist, da der Rest des Spiels eine ziemlich stabile Bildrate von 30 fps ohne sonderlich spürbare Einbrüche mit sich bringt. Selbst bei großem Getose auf den weitläufigen Schlachtfeldern sind wir erstaunt gewesen, wie butterweich wir durch die Luft sausen konnten. Warum hingegen der gefühlt 12m²-Marktplatz derart limitiert wird, erschließt sich uns nicht wirklich.

Der Kompromiss der Technik

Doch das hat einen Preis – was natürlich der Nintendo Switch und ihrer Mobilität geschuldet ist: Das Spiel wirkt auf den ersten Blick vor allem eines: Altbacken. Die Grafik ist – zumindest auf der von uns getesteten Switch-Fassung – eher rudimentärer Natur. Wo uns zu Beginn noch atemberaubende Zwischensequenzen, ganz in Qualität des Original-Animes begeistern, ist das visuelle Downgrade ein leichter Schlag in die Magengrube.

Die Treppchen-Bildung beinahe aller Spielelemente, welche nicht statisch dargestellt werden (wie etwa Gebäude oder andere Teile der Geometrie), wirkt beim ersten Spielanlauf enorm störend und manche technischen Limitierungen sind zuerst nicht sonderlich schlüssig: So ist das Schlachtfeld zwar weitestgehend „lediglich“ eine starre Karte, doch die Kämpfe und das generelle Getose täuschen darüber schnell hinweg. Nicht zuletzt wegen der massiven Fortbewegungs-Geschwindigkeit mit dem 3D-Manöver-Set. Im krassen Kontrast hierzu stehen die Partikeleffekte beim Abtrennen von Gliedmaßen und schwingen der Klingen.

Doch sobald wir wieder im Hub Vorbereitungen für die nächste Mission treffen, würden wir sprichwörtlich in den einen oder anderen Charakter rennen – wenn das Spiel eine derartige Kollisionsabfrage bieten würde. Sie erscheinen teilweise nur einen oder zwei Meter vor unserem Helden und gestalten das ganze Spielelement derart frustreich, dass es kaum zum Rest des Spiels passen mag.

FANSERVICE (ganz großgeschrieben!)

Die Texturen hingegen sind gestochen scharf und obgleich die Titanen auch im Anime nicht gerade mit körperlichen Details glänzen (So gar nicht. Nirgends. Der Jugendschutz hingegen dankts.), könnten sie im Spiel kaum bedrohlicher wirken. Der Charakter und auch alle anderen, aus der Serie bekannten Helden, werden im Kampf besser gerendert als im diffamierenden Stadt-Hub und geben eine gute Figur ab. Obgleich die Spielwelt per se keinen besonderen Twist bietet und die Handvoll Karten keinen Erkunderdrang in uns auslösen, ist sie mehr als zweckdienlich – der teils hohen Geschwindigkeit sei Dank.

Die Musik besteht beinahe 1:1 aus den lizenzierten Tracks des Anime und die Stimmen scheinen ebenfalls die Original-Sprecher zu sein, was den Fanservice mal wieder wunderbar unterstreicht. Eingefleischte A.o.T.-Fans dürften hier und da aus reiner Reminiszenz glückliche Tränen vergießen, weil auch die Zwischensequenzen (sofern der eigene Sidekick es möglich macht) direkt aus dem original übernommen wurden. Der Mix aus Authentizität und der eben erwähnten, akustischen Qualitäten rundet das Erlebnis wunderbar ab und lässt alle Macken und spielerischen Kanten beinahe vergessen.

Liebhaber des Originals werden außerdem einige Details wiedererkennen, die die Herzen höher schlagen lassen: Das Blut der Riesen benetzt unseren Recken im Kampf förmlich, verdampft jedoch nach und nach. Das Selbe gilt für die Animationen, welche ikonische Angriffsformationen aus der Serie wunderbar darstellen und einen zu kühnen Kampfstilen motivieren. Getreu der Devise. Mittendrin, statt nur dabei.

Leider wird eine einzige Sache vernachlässigt, für die gerade die Nintendo Switch perfekt geeignet wäre: Das 3D-Manöver-Set per getrennten Joy-Cons steuern und Gliedmaßen gemeiner Riesen mit realem Schwung aus dem Handgelenk abtrennen. Die Möglichkeit wurde vorweg in diversen Foren und auf Reddit von Fans diskutiert, als die Switch-Fassung angekündigt wurde – leider komplett vom Entwickler ignoriert. Hey Koei Tecmo!

Menschenfressender Umfangsgigant

Attack on Titan 2 bietet rein inhaltlich mehr als man sich wünschen kann: Neben der Haupthandlung, in der wir Eren, Mikasa und Co auf ihrer Suche nach dem Ursprung der namensgebenden Riesen begleiten, kommt das Spiel mit zusätzlichen Modi daher.

Der eingangs bereits erwähnte Charakter-Editor ließ bereits vermuten, was sich im späteren Spielverlauf nach und nach bewahrheitet hat: Mit unserem persönlichen Recken können wir separate Missionen mit anderen Mitspielern bestreiten. Leider nur online, was gerade auf der Nintendo Switch beziehungsweise auf Konsolen generell viel Potenzial für Couch-Coop aus dem Fenster wirft. Jedoch kann viel im kooperativen Online-Modus mit Freunden bestritten werden – und wenn einem danach ist auch kompetitiv in zusätzlichen Modi.

Dinge wie Materialien, Skills und vieles mehr können in den zusätzlichen Spielmodi verdient werden und sind an unseren Protagonisten und dem Speicherstand gebunden. Was auf erstem Blick toll klingt, stellt sich jedoch recht schnell als Krux heraus: Im Test wollten wir recht früh alle Modi unter die Lupe nehmen und hatten alsbald das vermutlich stärkste Ausrüstungs-Set des Spiels freigeschaltet – beinahe ohne jeglichen Aufwand. Als die Haupthandlung weitergespielt werden wollte, erwischte uns das böse Erwachen: Plötzlich hatte der namenlose Held, der die ganze Zeit nur am Rande mit trottet, die beste Ausrüstung aller Aufklärer.

Ab diesem Punkt war das Spiel unfassbar leicht und selbst Titanen, vor denen unsere NPCs wahrlich zurückschreckten, waren in wenigen Hieben hinüber. Die Immersion war kopfschüttelnd dahin und ein neuer Speicherstand musste her.

Wertung

Positiv

  • flottes, befriedigendes Gameplay
  • wie das original erwachsen inszeniert
  • AoT-Fanservice par excellence
  • sehr umfangreicher Charakter-Editor
  • sämtliche Sprecher und Musik aus dem Original vertreten
  • spannende Erzählweise mittels Tagebuch
  • viele ergänzende Spielmodi

Negativ

  • Hauptprotagonisten auf dem Schlachtfeld nur Sidekicks
  • kompliziertes Steuerungslayout
  • verschenktes Gameplay-Potenzial (Switch)
  • verwirrende, technische Limitierungen (Switch)
  • Inkonsistenz zwischen innerhalb der Spielmodi

Fazit

GC-Wertung
8,0

Mit Attack on Titan 2 liefert Publisher Koei Tecmo ein Fanservice-Paket, wie es die Anhänger der famosen Anime-Reihe nur erträumen konnten: Die Handlung weiß durch ihre Authentizität und Spannung zu begeistern, die Auftritte unserer Lieblingshelden (und Antihelden) wurden quasi exakt aus dem Quellmaterial übernommen und das Gameplay geht flott von der Hand.

Das Giganten-Gemetzel und der Kampf um Ressourcen und Land machen durchweg Spaß, obgleich der Einstieg nicht gerade leicht ist. Der eigene Charakter, der enorm umfangreiche Inhalt und die Verwendung der lizenzierten Musik und Original-Sprecher runden das Erlebnis wunderbar ab.

Im starken Kontrast stehen hierzu jedoch die fragwürdigen, technischen Einschränkungen auf Nintendos portabler Heimkonsole, das gerade hierfür enorm verschenkte Potenzial und die Inkonsistenz innerhalb der unterschiedlichen Spielmodi. Letztere können obendrein das Gameplay der Handlung derart ungewollt beeinflussen, dass man bis zum Abschluss der Geschichte auf sie verzichten sollte.

Vielen Dank an Koch Media für die Bereitstellung des Testmusters.