Testbericht: Moonlighter

PC-Version, getestet von Timo Schmidt am

Erfahrungsgemäß bin ich es, der die ausgedachten Pixel-Welten und deren Geschäfte in hiesigen Rollenspielen nach Items durchforstet. Moonlighter vom Entwickler Digital Sun Games will diesen Spieß nun jedoch umdrehen: Statt Held soll ich nun Ladenbesitzer, statt Schnäppchenjäger ein Finanzplaner sein? Der Twist ist definitiv neu und die Mischung machts bekanntlich. Ob das auch Spaß macht?

Good Will… Looting?

Großwerden war nie leicht. So auch nicht für den jungen Will: Der Abkömmling einer Händlerfamilie soll das Geschäft seiner Eltern weiterführen. Nach ihrem Ableben ist keine Zeit für ein Wirtschaftsstudium und so wird er förmlich unvorbereitet in seine Rolle geschmissen. Moonlighters Protagonist muss den Markt der Fantasy-Welt, in der er lebt, erst einmal kennen lernen und entsprechend Preise kalkulieren. Doch wo kommt eigentlich überhaupt die Ware her?

Hier setzt der Clou des spanischen Indie-Entwicklers ein; denn während ich tagsüber den geerbten Laden in einem stillen Dörfchen hüte, verschlägt es mich des Nachts in umliegende Dungeons – seltene Gegenstände liegen immerhin nicht einfach so auf der Straße herum. Während Will also nachts verzwickte Höhlen durchforstet, kommt er nach und nach einem Mysterium auf die Spur, welche die Dimensionen seiner Vorstellungskraft überschreitet.

Doch ganz gleich, welche Entdeckungen er unter bewölktem Mondschein und in modrigen Verliesen macht: Wenn der Geldfluss des Geschäfts nicht stimmt, kann er keine neue Ausrüstung beim Schmied kaufen – oder gar bestehende verbessern. So schließt sich der Kreis Tag um Tag, Nacht um Nacht.

The Legend of Wirtschaftlichkeit

Moonlighter spielt aus der isometrischen Perspektive, wie man es von ikonischen Genre-Vertretern wie etwa den älteren The Legend of Zelda-Teilen kennt. Getreu der Vorlage werden die Abenteuer von Will auch bewusst in Pixel-Grafik erzählt: So erinnert das Gameplay selbst hinsichtlich seiner Stilmittel sehr an ein Binding of Isaac oder – eben – A Link to the Past. Zwischensequenzen, welche mich in unregelmäßigen Abständen während des voranschreitenden Spiels daran erinnern, dass es noch eine (obgleich rudimentäre) Hintergrundgeschichte gibt, sind im selben Stil gehalten.

Die Verliese, von denen es dutzende Varianten gibt, sind bei jedem Betreten zufällig neu zusammengesetzt: Hierbei entspricht ein Raum einem Segment, welcher im Idealfall bildschirmfüllend dargestellt wird. Nach und nach werden neue, stärkere Gegner-Arten ins Spiel geworfen, welche jedoch keine allzu großen Kniffe erfordern. Es sind eher die Leichtsinnsfehler, welche Will das Leben kosten. Ähnlich wie bei einem Roguelike ist der Tod nicht das Ende, sondern Bestandteil des Spiels.

Tagsüber musste ich hauptsächlich dafür sorgen, dass Wills nächtlich erbeutete Ware auch in seinen Schaufenstern landen. Hierbei gilt es die Preise passend zu regulieren: Wie hoch ist die Nachfrage, war mein letzter Wert eher Wucher, habe ich hiervon gestern schon dreißig Stück vertickt? Moonlighter transformiert in solchen Momenten zu einer raffinierten Wirtschafts-Simulation mit Pepp; denn die Kunden schlendern erst herein, wenn wir den Laden öffnen. Eine Sprechblase über ihren Köpfen symbolisiert mit einem Emoticon, was sie von den Preisen halten.

Hierfür muss man ein Gefühl kriegen, denn gerade zu Beginn war nie ganz ersichtlich, wie es um die Ökonomie des Städtchens steht. Erst als ich mich in den überraschend komplexen Übersichts-Menüs zurechtfand, konnte ich leichter einschätzen, was sich wie geschnitten Brot verkauft. Da macht sich der BWL-Unterricht von damals endlich mal bezahlt!

„Mein armer Buckel!“

Moonlighters größtes Problem liegt in der Handhabe des Item-, Crafting- und allen voran des verkorksten Inventarsystems. Der Rucksack ist stets begrenzt: Mehr als knapp zwei Dutzend Gegenstände lassen sich nicht in Wills Rucksack verstauen. Klingt erstmal üppig, wenn da nicht das unnötige Platzierungs-Minispiel wäre. Als wäre die Planung der Geschäfts-Simulation nicht genug, kommen manche gefundene Gegenstände mit diversen Faktoren daher. Wenn diese nicht eingehalten werden, könnte das Item sich oder benachbarte Gegenstände zerstören.

Konkret bedeutet das: Wenn ich einen Klunker finde, der nur im linken unteren Abschnitt meines Rucksacks verstaut werden kann (WARUM AUCH IMMER), und dort befindet sich jedoch bereits anderer Loot mit ähnlichen Vorgaben, hat Will schlichtweg Pech. Nach einer gewissen Zeit in den Dungeons füllt sich das Inventar recht schnell und immer dann, wenn ich es nicht gebrauchen kann, tauchen solche potentiellen Ladenhüter auf.

Mir bleiben nun drei Möglichkeiten – welche allesamt höchst unbefriedigend ausfallen: Entweder trenne ich mich von einem Item, welcher der erwähnten Voraussetzung im Wege steht, verzichte auf das frisch Gefundene oder verkaufe sie per Teleport-Talisman zu kleinen Bruchteil des eigentlichen Werts.

Wäre dem nicht Überdruss genug, zwingt mich das Spiel penibel gegen Wills Ableben zu arbeiten oder zeitnah die Verliese wieder zu verlassen. Denn sollte der junge Ladenbesitzer das Zeitliche segnen, verliert er sämtlichen Rucksackinhalt. Besonders ärgerlich, wenn man zuvor gefühlt eine Halbe Stunde mit dessen Micromanagement beschäftigt war.

Wertung

Positiv

  • toller Kunststil und angenehme Hintergrundmusik
  • erfrischende, überschaubare Wirtschaftssimulation
  • abwechslungsreiche Dungeons und Gegnersorten

Negativ

  • Wills Ableben wird unnötig hart bestraft
  • Inventarsystem sprichwörtlich zum Davonlaufen
  • Ökonomie anfangs recht kompliziert und verwirrend

Fazit

GC-Wertung
6,5

Moonlighter des spanischen Indie-Entwicklers Digital Sun Games entflammt wahre Nostalgie in einem, während man sich im Zelda-Stil nächtlich durch dunkle, verzwickte Höhlensysteme arbeitet – nur auf der Suche nach dem nächsten wertvollen Gegenstand. Dieses Mal nicht für mich, denn mit dem Schatz muss ich meinen Laden am Leben halten.

Dieser will tagsüber verwaltet werden: Preise anpassen, Kunden zufrieden stellen und vieles mehr bringen einen spannenden Twist in das mittlerweile überfüllte Genre. Leider sind das unnötig komplizierte Inventar-System des Spiels, sowie die Strafe für Leichtsinnsfehler derart hoch, dass ich irgendwann nur gefrustet den Controller in die Ecke schmeiße.

Vielen Dank an Marchsreiter Communications & Evolve PR für die Bereitstellung des Testmusters.