Testbericht: Returnal

PS5-Version, getestet von Timo Schmidt am

Der finnische Entwickler Housemarque ist schon eher für seine kleineren Nischentitel bekannt: Nex Machina, Matterfall – meist Titel, die als Sidescroller oder Twin-Stick-Shooter hauptsächlich mit dynamischer Action und krassen Effekten trumpften. Mit Resogun wurde damals quasi die PlayStation 4 Ära und mit Returnal will nun die neue Ära eingeleitet werden.

Ob der Genremix funktioniert, langfristig trotz hoher Progressions-Hürde motiviert und die Technik der neuen Konsolengeneration richtig ausreizt?

Im Rogue-like 3rd-Person-Shooter Returnal schlüpfen Spielerinnen und Spieler in die Rolle der Astronautin Selene. Die Handlung wird eingeleitet, indem wir Selene dabei beobachten, wie Sie Kurs auf einen stürmischen Planeten nimmt: Atropos birgt so einige Geheimnisse und um so spannender die Tatsache, dass der Bordcomputer von unseres (auf Helios getauften) Raumschiffes ein Flugverbot rund um das sogenannte „Weiße Rauschen“ anzeigt. Natürlich lässt die Protagonistin nicht von ihrem Ziel ab: Beim Eintritt in die Planeten-Atmosphäre tritt ein starker Sturm auf und unser Gefährt wird von einem Blitz zum Absturz gebracht.

Fortan gilt es zu Überleben. Oder doch nicht?

Atropos ist mehr als nur ein unwirtlicher Planet: Er scheint ein Eigenleben zu führen.

Täglich grüßt uns Atropos

Im Rogue-like 3rd-Person-Shooter Returnal schlüpfen Spielerinnen und Spieler in die Rolle der Astronautin Selene. Wir erkunden gemeinsam den Planeten Atropos, welcher kaum fremdartiger wirken könnte: Im Giger-Stil, welcher an Bauten aus dem Prometheus- beziehungsweise Alien-Universum erinnern, ragen hohe Steinsäulen und verfallene Ruinen aus dem dichten, dunklen Dschungel. Recht schnell stellt sich genredefinierend heraus: Die Flora und Fauna von Atropos ist uns alles andere als freundlich gesellt. Die Erkundung an oberster Stelle, gilt es in Returnal, Gebiet für Gebiet zu überleben und die Geheimnisse um den Planeten und Selene selbst zu ergründen.

Die Antagonisten kommen in verschiedensten, absurden Alien-Formen daher: Meist auf vier Pfoten mit vielen Tentakeln bestückt erscheinen die Monster nach Betreten des neuen Gebiets und beharken uns rhythmisch mit Geschossen, welchen ausgewichen werden will. Dabei wird schnell klar, dass das Spiel ein astreines Bullet Hell Erlebnis ist – so viel fliegt zuweilen durchs Bild und auf Selene zu.

Wer nicht schnell genug ausweicht und den Biestern den Gar aus macht, entdeckt recht schnell, wieso es sich bei Returnal um ein Rogue-Like handelt. So ist Selene aus irgendeiner mysteriösen Bewandtnis dazu gezwungen, nach jedem Ableben ihren Absturz auf den Planeten zu durchleben und wieder bei Null anzufangen. Und zwar im wahrsten Sinn des Wortes: Sämtliche Gegenstände, die wir beim letzten Run fanden, sind futsch. Bis auf wenige permanente Freischaltungen, auf die ich gleich noch eingehe.

Wirklich gesellig sind Flora und Fauna nicht: An jeder Ecke lauen Gefahren, die unsere Reise durch die Zeitschleife erschweren.

Action, flott in und von der Hand

Im Rogue-like 3rd-Person-Shooter Returnal schlüpfen Spielerinnen und Spieler in die Rolle der Astronautin Selene. Man kommt nicht umhin, Housemarque für das Feeling des Spiels zu loben; so reißt einen zum einen die Umsetzung für den Dual Sense Controller förmlich vom Hocker und zum anderen ist das Movement extrem optimiert und flutscht nur so von der Hand. Man merkt einfach, dass eben genau das ein Markenzeichen des Entwicklers aus Helsinki ist: Flotte Bewegungsabläufe und rhythmisches Gameplay.

Zum anderen brezelt der neue Dual Sense Controller in allen Belangen: Man spürt vom auf Selenes Helm prasselnden Regen bis hin zum unterschiedlichen Waffenverhalten und -effekten im Controller. Hier werden gefühlt sämtliche Register gezogen und ermöglichen so ein Spielgefühl, das man so höchstens im Sony-eigenen Exklusivtitel Astro’s Playroom wiederfindet. Das geht so weit, dass neben den verbauten Lautsprechern die Vibrationsmotoren eine eigene, passende Akustik von sich geben – etwa, wenn man sich auf einer Teleport-Plattform befindet und Partikel um Selene herum surren.

Besonders cool: Die adaptiven Trigger des Controllers agieren nicht nu als Gimmick, sondern erkennen die Druckstärke und bieten somit zwei unterschiedliche Feuermodi. Lässt sich schwer beschreiben; muss man probiert haben, um die Gewichtung des Effekts nachvollziehen zu können.

Gegnerangriffe variieren außerdem in Form von Projektil-Mustern, Bewegungsabläufen und vielem mehr. Um so besser, dass wir fortwährend bessere Waffen mit den unterschiedlichsten Angriffsmustern finden. Je besser wir in der aktuellen Zeitschleife agieren, desto weiter wächst außerdem das Energielevel der auffindbaren Ausrüstung.

Gigantische Zwischenbosse warten an vielen Ecken und bereiten auf das Grauen vor, das uns bei echten Weltenbossen erwartet.

Urlaubsziel Atropos: Düster, gnadenlos und motivierend

Im Rogue-like 3rd-Person-Shooter Returnal schlüpfen Spielerinnen und Spieler in die Rolle der Astronautin Selene. Ja nach Situation rennt, dasht, springt und klettert Selene durch die Level-Gebiete, welche neben Fallen und Abgründen oftmals auch in die Vertikale gehen. Zu Beginn kommt man kaum aus dem Staunen heraus, so unfassbar stimmig ist die Spielwelt von Returnal gebaut. Irgendwann kennt man die Layouts der einzelnen „Räume“ und dank der Minimal in der Ecke weiß man auch auf einem oder zwei Blicken direkt, ob sich nützliche Gegenstände aufheben lassen.

Genretypisch mischen sich hinsichtlich des Leveldesigns außerdem Metroidvania-Anleihen ins Spiel, denn manche Bereiche einzelner gebiete oder gar ganze Gebietsübergänge lassen sich zu Beginn gar nicht betreten. Mal fehlt ein Werkzeug um dichtes Gestrüpp zu zerschneiden, mal ein Enterhaken, mit dem sich größere Abgründe überwinden ließen. Je weiter Selene auf Atropos voranschreitet ohne das Zeitliche zu segnen, desto mehr permanente Freischaltungen gibt es. Darunter auch eben jene Werkzeuge.

Die Spielwelt unterteilt sich, wie eingangs bereits erwähnt, in eine zufallsgenerierte Aneinanderreihung verschiedenster Räume und knapp zwei Hunde voll Klimazonen, welche nur nach knackigen Bosskämpfen und dadurch aktivierte Portale erreicht werden können. Je weiter Selene kommen will, desto ausdauernder müssen Spielerinnen und Spieler sein; denn der Spielertod bedeutet ein Neuanfang. Klingt frustrierend, motiviert wegen des flotten Gameplays und der spannenden Handlung jedoch ungemein.

Unterwegs lassen sich on top allerlei skurrile, zufällig generierte Parasiten finden, welche Selene beinahe selbstverständlich auf Wunsch an ihre Gliedmaßen anbringt. Wie der Name bereits verrät, kommen diese sowohl mit Vor- als auch Nachteilen daher: Mal erhält Selene mehr Obolit (die Währung auf Atropos) für Nahkampf-Kills, kann dafür aber nicht so hoch springen – mal lädt der Sekundärangriff der Waffen schneller nach. Es lohnt sich also immer, Ausschau nach den kleinen Rackern zu halten und mit den unterschiedlichen Effekten zu experimentieren.

Das Spiel fordert mit seiner schieren Masse an Partikeln, Angriffsmustern und Möglichkeiten zu sterben volle Konzentration.

With your feet on the air and your head on the ground …

Im Rogue-like 3rd-Person-Shooter Returnal schlüpfen Spielerinnen und Spieler in die Rolle der Astronautin Selene. Das gesamte Spielkonstrukt baut auf einer Handlung auf, welche entfernt an Filme wie „Täglich grüßt das Murmeltier“ oder gar „Fightclub“ erinnert. Selene findet recht früh im Spiel heraus, dass sie sich in einem Kreislauf aus Leben und Tod befindet: Tonbandaufnahmen, welche sich auf Atropos finden, wurden von ihrem früheren Ich hinterlassen und zeigen wie die Astronautin mehr und mehr den Verstand zu verlieren droht. Kein Wunder, wenn man bedenkt was sie durchmachen muss.

Dabei ist die Handlung überraschend bedeutungsschwanger inszeniert und wirkt direkt mehrschichtiger als man von einem solchen Titel und dieser überschaubaren Studiogröße erwartet: Irgendwie ist das ganze Erlebnis mit Selenes Vergangenheit, ihrer Mutter, das gruselige Elternhaus (welches mit gewissen P.T.-Anleihen immer wieder in der Spielwelt auftaucht und aus Egoperspektive erkundet werden will; Jumpscares inklusive) und einem Astronauten verworren, der uns stets zu verfolgen scheint. Alltagsobjekte aus Selenes Kindheit stellen ab und zu sogar elementare Gegenstände im Spielfluss dar, wie etwa eine Spielzeugfigur, die als Bonusleben herhält.

Nach und nach decken wir auf, was es mit der mysteriösen Zeitschleife auf sich hat – jedoch häppchenweise in den Kern-Gameplay-Loop gestreut, um uns am Ball zu halten. Und selbst wenn wir richtig gründlich vor gehen und selten sterben, bietet das Spiel einen gewissen Wiederspielwert um wirklich alle Geheimnisse aufzudecken. Chapeau, Housemarque!

Wertung

Positiv

  • Einzigartige, haptische Dual Sense Unterstützung
  • Unfassbar flüssiger Gameplay-Loop
  • Gleichermaßen motivierende und verstörende Handlung
  • Stetig ansteigende und doch faire Herausforderung
  • Tolles, düsteres Weltendesign mit stimmungsvoller Grafik

Negativ

  • Zuweilen frustrierender Fortschrittsverlust bei Fehlern
  • Keine Möglichkeit, Zwischenfortschritte zu speichern

Fazit

GC-Wertung
9,0

Über den finnischen Rogue-like 3rd-Person-Shooter Returnal gibt es in der Theorie noch so viel mehr zu berichten: Etwa, wie grandios die Bosskämpfe inszeniert sind und das Spiel zuweilen grafisch mit seinem Bombast an Effekten eher an einen Drogentrip erinnert. Wie das Mysterium um die Zeitschleife, Selenes Vergangenheit und ihr Umgang mit der exotischen Situation das Spiel gelegentlich zu einem denkwürdigen Gruselabenteuer machen. Oder etwa wie gnadenlos die Bullet Hell Mechaniken des Spiels ineinandergreifen und einen immer und immer wieder zwingen, seine Hausaufgaben zu machen; weil man sonst schlicht und ergreifend ins Gras beißt ohne voran zu kommen …

Nichtsdestotrotz ist Returnal ein PlayStation5 Erlebnis, das sowohl inhaltlich als auch – und das ist das Besondere an dem Titel – haptisch vergeblich seinesgleichen sucht. Der hohe Einstiegspreisen von 79,99 € zum Launch sollte jedoch auf alle Fälle im Blick behalten werden, wenn man bedenkt, dass das Spiel aufgrund seines Schwierigkeitsgrades wahrlich nicht für jede oder jeden geeignet ist. Wen das nicht abschreckt, darf sich den verrückten Ausflug auf Atropos wahrlich nicht nehmen lassen. Und wenn es nur deshalb ist, weil Returnal der erste richtige Exklusivtitel für Sonys PlayStation 5 ist.

Vielen Dank an ToLL Relations für die Bereitstellung des Testmusters.