Testbericht: Crysis

PC-Version, getestet von Falk Meier am

Man nehme eine Tropeninsel, einen Spezialanzug, 2 verfeindete Parteien, gebe dazu eine komplexe KI und ein paar Aliens, runde das ganze mit einer Grafikengine ab, die ihresgleichen sucht, und heraus kommt Crysis. Doch ist Crysis wirklich der vielversprochene neue Gott am Shooter-Himmel?

Crysis beginnt nicht unüblich in einem Flugzeug. 5 Kommandosoldaten, alle in modernen Nano-Suits, machen sich kampfbereit. Es gibt eine kurze Lagebesprechung, dann öffnet sich die Laderampe des Flugzeugs und man springt ab. Während man fällt kann man sich die Insel in aller Ruhe von oben ansehen, soweit es vorbeizischende Wolkenfetzen zulassen. Man freut sich schon auf eine Landung in der Nähe des Ziels und darauf den Nano-Suit endlich selbst im Gefecht ausprobieren zu dürfen. Doch so einfach sollte es nicht werden: der Fallschirm öffnet sich nicht, wie ein Stein fällt man, zum Glück in eine kleine Bucht vor der Insel. Glück gehabt, doch muss das Team sich jetzt erst einmal wieder sammeln.

Hier gibt das Spiel dem Spieler die Steuerung an die Hand und fortan werden sie diese nur noch für kurze Zwischensequenzen, alle nahtlos aus der Ego-Perspektive in den Spielfluss eingebunden, aus der Hand legen. Das soll allerdings nicht heißen Crysis hätte keine Story, allerdings wird diese so gut ins Spiel selbst eingebunden, dass Zwischensequenzen kaum nötig sind und entsprechend auch nur in besonders wichtigen Situationen eingesetzt werden. Inhaltlich merkt man schon sehr früh, dass auf dieser Insel etwas Faul ist und dass sich nicht alles nur um den Konflikt mit den Koreanern dreht. Die dritte Parei sind Aliens mit einer Vorliebe für kalte Gefilde. Spielt Crysis anfangs noch ausschließlich in einem tropischen Dschungel, so verwandeln die Aliens etwa ab der Hälfte des Spiels eine große Region der Insel in eine arktische Eislandschaft.

Ein sehr wichtiges Element in Crysis ist der Nano-Suit. Der sieht nicht nur extrem cool aus, sondern besitzt auch ein paar eingebaute Gimmicks die einem das Leben sehr erleichtern können: Je nach Wunsch und Bedarf kann der Anzug mit seinem Energievorrat (der sich übrigens sehr fix automatisch wieder auflädt) die Geschwindigkeit oder die Stärke des Trägers erhöhen, den Träger nahezu unsichtbar machen oder aber die Energie zur zusätzlichen Panzerungsverstärkung benutzen. Genial gelöst ist die Steuerung des Anzugs: je nach Belieben kann man ihn entweder durch ein Radialmenü mit der Maus umstellen, oder durch wiederholtes drücken der entsprechenden Taste oder aber extrem intuitiv direkt Aktionsbezogen: drückt man schnell zweimal hintereinander die Vorwärtstaste aktiviert der Anzug den Geschwindigkeitsboost, bei zweimaligem drücken der Nahkampf- oder Sprungtaste aktiviert sich der Stärkeboost. Das ist zwar etwas gewöhnungsbedürftig aber gerade in hektischen Situationen verliert man so nie die kontrolle über den Anzug und hat trotz Kugelhagel immer den richtigen Boost aktiviert.

Die sehr offenen Levels geben einem das Gefühl völliger Bewegungsfreiheit und in der Tat sind die Levelgrenzen so großzügig angelegt, dass man sie selbst wenn man ein wenig Experimentierfreudig an die gegnerischen Stellungen herangeht nur selten auf eine „Wand“ aus Bäumen trifft. Dass die Insel nicht komplett frei begehbar ist mag den einen oder anderen FarcryFfan vielleicht enttäuschen, allerdings muss man dazu sagen, dass die Crysis Insel um ein vielfaches größer ist als die durchschnittliche Farcry Insel und irgendwo auch eine Kontinuität in der Story gewahrt werden muss. Bei Farcry wurde das Problem durch das Wechseln von Insel zu Insel gelöst, bei Crysis eben durch mehr oder weniger natürliche Levelgrenzen. Dazu kommt, dass die Levels in Crysis eine unglaubliche Menge an Details bieten. Das fängt bei der sehr natürlich wirkenden Vegetation an und hört dabei auf das wirklich fast jedes Objekt in der Welt physikalisch beeinflussbar ist. Sogar Blätter an Büschen machen hier keine ausnahmen. Und wer schon immer einmal wie in Predator mit einem schweren MG mitten im Dschungel eine Lichtung schaffen wollte: kein Problem! So ziemlich jeder Baum lässt sich, die entsprechende Feuerkraft vorausgesetzt, in seine Einzelteile zerlegen.

Das Leveldesign an sich lässt im allgemeinen keine Wünsche offen. Jederzeit steht es in der Macht des Spielers sich so vorzuarbeiten wie es ihm am liebsten ist. Es herrscht eine ständige abwechslung zwischen ruhigen Momenten und adrenalingeladenen Situationen, Langeweile kommt genausowenig auf wie die Spannung sich verabschiedet. Dabei herrscht trotz permanentem Dschungel genug Abwechslung in der Landschaft um auch das Auge bei Laune zu halten. Auch spielen die Funktionen des Anzugs und das Leveldesign sehr gut zusammen, sodass der Nano-Suit nie zum Gimmick wird, sondern echten Einfluss auf das Gameplay hat.

Was die Grafik angeht … Wer einen High-End Rechner besitzt wird mit Crysis das wohl schönste und detailreichste Spiel aller Zeiten sehen. Licht- und Schattenspiele, Wasserspiegelungen, Strukturen auf den Blättern, Qualm, Blendeffekte, einfach alles hat es in der Qualität noch nicht gegeben. Leider scheint Crytec etwas zu wenig Zeit in die Skalierbarkeit der Engine gesteckt zu haben. Man hat zwar einiges an Einstellungsmöglichkeiten mit denen Crysis auch auf einem Mittelklasserechner noch gut läuft, allerdings wirken diese sehr lieblos umgesetzt. Schon ab mittleren Einstellungen z. B. ist das Leuchten der Taschenlampe eines Teammates übermäßig groß und und blendet mehr als das es irgend etwas anderes macht. Auch „ploppen“ Steine und kleinere Objekte am Boden plötzlich auf, anstatt dass sie langsam sichtbar werden. Das und einige andere Kleinigkeiten hätte man auf jeden Fall noch besser lösen können, damit die Optik auch für Besitzer von Mittelklasserechnern „rund“ wirkt.

Bei der Atmosphäre und dem Sound macht Crysis alles richtig, vom Vogelzwitschern im Hintergrund bis zum Scheppern einer Panzerkanone, jeder Sound wirkt echt und passend. Keine Waffe klingt irgendwie zu blechern oder künstlich. Allgemein schafft es Crysis sehr gut Stimmungen rüberzubringen. Alleine im Dschungel, bei einem Großangriff auf einen Hafen, auf der Flucht vor den Aliens, alles ist stimmig und man fühlt sich mitgerissen. Gerade bei den Aliens sieht man, wie gut Design, Sound, Grafik und Gameplay zusammenspielen. Denn nicht nur die Räumlichkeiten wirken sehr fremdartig, auch durch die Sounds, die Schwerelosigkeit (in der man sich übrigens nach oben und unten drehen kann, ohne einen künstlichen Stoppunkt zu haben) und eine Struktur des Levels, die völlig ungewohnt ist, versetzt einen Crysis hier in eine völlig befremdliche Stimmung.

Doch auch bei Crysis gilt: keine Kirsche ohne Kern. Und so gibt es auch hier Dinge die Stören und einfach nicht sein hätten müssen. Zum einen ist die KI der Gegner zwar wirklich gut, gerade in Gruppen agieren sie sehr überzeugend. Allerdings achten sie auch ein wenig zu gut auf Geräusche. Schießt man z. B. mit einem Schalldämpfer heraus auf einen Gegner und verfehlt ihn, dreht dieser sich um weil er hinter sich den Aufprall der Kugel gehört hat. Allerdings tut er dies manchmal auch, wenn er bereits weiß, dass der Spieler sich eigentlich vor ihm befindet und nur in Deckung gegangen ist. Zum anderen ist das Schadensmodell der Waffen sehr gewöhnungsbedürftig. Reichen auf ein paar Meter Distanz schon einige wenige Treffer um einen Gegner niederzustrecken, hält derselbe Gegner auf größere Distanzen auf einmal dutzende Treffer aus derselben Waffe aus. Wer da den Kopf nicht trifft hat auf größere Distanzen keine chance. Auch die Tatsache, dass Crysis nur der erste Teil einer Trilogie ist, wirkt sich etwas störend aus, da das Spiel genau dann endet, wenn die Story eigentlich gerade erst in Fahrt kommt.

Wertung

Fazit

GC-Wertung
9,0

Doch hat man sich an die kleineren Macken erst einmal gewöhnt bleibt unterm Strich nur eines zu sagen: Crysis ist in meinen Augen tatsächlich der bei weitem beste Shooter seit langem, Half-Life 2 mit ein. Crysis bietet durchgängig interessantes Gameplay ohne Leerlauf, permanent gute Stimmung und macht, nach dem man sich an den Nano-Suit gewöhnt hat, einfach nur spaß.