Testbericht: Mirror's Edge

PC-Version, getestet von Stefan Brauner am

Das Spiel Mirror’s Edge aus dem Hause DICE, den Machern von Battlefield, ist eine interessante Genre-Mischung und bietet Elemente von Ego-Shootern, Jump&Run und Action-Adventure. Das gesamte präsentiert sich zudem in einem etwas anderen Stil. Ist das ein gewagter Schritt oder eher ein Sprung in den Abgrund?

Vollständige Überwachung

In Mirror’s Edge schlüpft der Spieler in die Rolle von Faith, einer Runnerin. In der Geschichte, die in der nahen Zukunft spielt, wird alles und jeder in der Stadt überwacht, wodurch es kein Verbrechen mehr gibt – dies geschieht jedoch auf Kosten der Freiheit. Die Kommunikation erfolgt über Boten, sogenannte Runner, deren Wege über die Dächer verlaufen. Sie werden von der Polizei in Ruhe gelassen. Doch als Faiths Schwester ein Mord in die Schuhe geschoben wird, bekommt auch sie es mit den Gesetzeshütern zu tun.

Die Geschichte wird zwischen den Kapiteln mit Comic-ähnlichen 2D-Videosequenzen erzählt. Die Story selbst könnte durchaus interessant sein, wird jedoch etwas distanziert erzählt. Es kommt eher wenig Spannung auf und der Spieler kommt eher weniger das Gefühl, dass er direkt in der Story mit drinsteckt.

Der Blick eines Runners

Die Runners Vision zeigt mithilfe von roten Farben den Weg
Die Runners Vision zeigt mithilfe von roten Farben den Weg

Die Runner sehen die Stadt mit anderen Augen als die Bürger auf dem Boden, sie haben eine besondere Vorliebe für die rote Farbe und erkennen den Fluss, die Dächer werden für sie zu Wegen. Die Runner Vision färbt wichtige Elemente, wie z. B. Bretter oder Rohre, rot. Somit hat der Spieler einen Anhaltspunkt, wie es im Level weitergeht. Als weitere Hilfe kann man mithilfe der ALT-Taste direkt in die Richtung sehen, wo es weitergeht. Doch darauf sollte man sich nicht verlassen, denn teilweise ist diese Unterstützung etwas irreführend. Wer selbst auf die geeigneten Wege kommen möchte, kann die Runner Vision im Menü auch abschalten.

Der Spieler sieht das Geschehen aus den Augen von Faith, was bei Mirror’s Edge besonders gut gelungen ist. So sieht man häufig nur die Hände, Arme, oder Beine, wie z. B. beim Springen, Klettern, Schwingen oder bei Kämpfen. Ein Wechsel in die 3rd-Person-Perspektive erfolgt zu keiner Zeit, selbst nicht beim Klettern oder Abrollen. So wird immer ein gutes Gefühl vermittelt, dass man selbst derjenige ist, der auf den Dächern vor der Polizei davonrennt. Die Glaubwürdigkeit wird zudem dadurch verstärkt, dass das Spiel im Story-Modus komplett ohne HUD, also grafische Elemente wie Munitionsanzeige auf dem Bildschirm, auskommt. Lediglich ein kleines Fadenkreuz in der Bildschirmmitte und zwischendurch das Symbol für die Autospeicherung werden angezeigt.

Rennen statt schießen

Eine Waffe hat Faith nur selten in der Hand
Eine Waffe hat Faith nur selten in der Hand

Während es bei einem typischen Ego-Shooter eher darum geht, die Gegner zu erschießen, gilt in Mirror’s Edge das komplette Gegenteil. Die effektivste Lösung ist das Weglaufen, da Faith im Normalfall unbewaffnet ist. Das Spiel kann also gespielt werden, ohne jemanden zu töten. An einigen Stellen ist es jedoch hilfreich sich zu wehren. Neben normalen Schlägen sind problemlos auch Jump-Kicks und Slide-Kicks möglich. Wenn man im richtigen Augenblick reagiert, kann man sogar dem Gegner die Waffe abnehmen. Die Munition ist jedoch stark begrenzt und nach wenigen Schüssen wieder aufgebraucht. Doch das Tragen der Waffe verlangsamt Faith ohnehin nur und schränkt auch die Bewegungen ein, da sie nicht mehr alle Hände frei hat.

Derartige Szenen sorgen für Action bei der Verfolgung
Derartige Szenen sorgen für Action bei der Verfolgung

Häufig kommt es vor, dass mehrere Polizeieinheiten hinter Faith her sind. Da sie mit Waffengewalt keine Chance hätte, ist die einzige Möglichkeit die Flucht zu ergreifen. Mit dem Gedanken im Kopf, dass das Stehenbleiben tödlich enden würde, rennt Faith vor der Polizei weg. Den besonderen Kick bekommt man, wenn während der Flucht auch noch von einem Hubschrauber geschossen wird und Faith Glassplitter von den eingeschossenen Scheiben um die Ohren fliegen.

Springen und Rennen

Faith wagt viele riskante Sprünge …
Faith wagt viele riskante Sprünge …

Wie bei einem Jump&Run ist das Springen und Schießen bei Mirror’s Edge im Vordergrund – und genau das macht auch den Spielspaß aus. Je länger Faith läuft, desto schneller wird sie und desto mehr Spaß macht es von einem Dach zum anderen zu springen, unter Hindernissen hindurchzurutschen oder Wänden hochzuklettern bzw. entlangzulaufen, um von dort aus weiterzuspringen. Mit der Geschwindigkeit wird auch das sogenannte Momentum aufgebaut, welche beeinflusst, wie weit Faith mit ihren Sprüngen oder Wallruns kommt und wie hoch sie bei Wallclimbs kommt. Mit dem Aufbau des Momentums wird auch eine Reaktionszeit aufgebaut. Mit diesem kann man Faith in einen Zustand höchster Aufmerksamkeit versetzen, in dem alles um sie herum langsamer erscheint – also sozusagen eine Zeitlupe. Diese eignet sich unter anderem gut um Gegner im richtigen Augenblick entwaffnen zu können.

 … und balanciert in gefährlicher Höhe
… und balanciert in gefährlicher Höhe

Faith zeigt eine Akrobatik, die Lara Croft schon fast alt aussehen lässt. Sie kann nicht nur von Dach zu Dach springen, an Rohren hoch und runter klettern, über schmale Gegenstände balancieren oder unter Hindernisse hindurch rutschen. Darüber hinaus kann sie unverletzt Sprünge aus größeren Höhen meistern, indem sie sich bei der Landung abrollt, Wallclimbs, 180°-Sprünge, Wallruns und L-Sprünge ausführen. Bei den Wallclimbs rennt man sozusagen die Wand ein paar Schritte hoch, um sich dann an einer Kante festzuhalten und hochzuziehen. Bei einem Wallclimb kann ein 180°-Sprung ausgeführt werden, womit man z. B. auf Ebenen gelangen kann, die sich gegenüber der Wand befinden. Bei den Wallruns hingegen läuft Faith für kurze Zeit an der Wand und kann von dort aus einen 90°-Sprung, einen sogenannten L-Sprung, ausführen. Durch diese vielen Möglichkeiten sind auch viele ungünstig gelegene Stellen zu erreichen.

Frust durch viele Versuche

Die Steuerung ist relativ schnell erlernt, zumal Mirror’s Edge auch erst nach und nach die schwereren Sprünge vom Spieler abverlangt. So reichen am Anfang normale Sprünge, während später immer häufiger Wallruns und schwierigere L-Sprünge notwendig sind. Doch damit steigt auch der Frust, den das Spiel durch teilweise zu viele notwendige Versuche verursacht. Bei vielen Sprüngen sind ein richtiges Timing und etwas Geschick sehr wichtig, denn sonst bekommt der Spieler den Sturz in die Tiefe zu sehen. Und wenn es gerade keine schwierigen Sprünge gibt, so werden möglicherweise die Gegner zur Endstation, da Faith nicht viele Treffer einstecken kann. Wer dann noch nicht zu demotiviert ist, sondern ehrgeizig genug ist, wird mit Sicherheit irgendwann darüber freuen dürfen, dass er den Dreh raus hat und den Abschnitt meistern konnte.

Das Gute bei Mirror’s Edge ist, dass es neben normalen Checkpoints auch noch zusätzliche Abschnitte gibt. Wer also an einem Feind oder Abgrund scheitert, muss nicht alles seit dem letzten Checkpoint wiederholen, sondern spielt ab einem bestimmten Zwischenpunkt weiter. Dieser befindet sich meist kurz vor den Stellen, wo die meisten Leute beim ersten Versuch scheitern könnten. Nur wer das Spiel beendet und später fortsetzen möchte, muss bei den Checkpoints fortfahren.

Hübsch, aber künstlich

Wie auf dem Bild ist das Wasser auch im Spiel ohne Bewegung
Wie auf dem Bild ist das Wasser auch im Spiel ohne Bewegung

Grafisch macht Mirror’s Edge auf dem ersten Blick einen ganz guten Eindruck, beim näheren Betrachten wird man jedoch feststellen, dass die Umgebungen etwas unecht wirken. So wirkt der Horizont schon fast wie ein Plakat und das Wasser ist sehr künstlich. Aus der Ferne ist das weniger tragisch, doch wenn man bei einem Schiff über Bord guckt, wäre es schon schöner, wenn sich das Wasser auch etwas bewegen würde. Viele Gegenstände sind etwas kantig, die Fahrzeuge haben häufig schwarze, undurchsichtige Fensterscheiben, die nicht eingeschossen werden können.

Schöne Effekte dank PhysX
Schöne Effekte dank PhysX

Die Optik der Level ist sehr ungewohnt, da die Häuser von Außen und Innen größtenteils weiß sind. Einen sehr starken Kontrast bieten Gegenstände, die ebenfalls einen sehr hellen Farbton haben. Spieler mit Grafikkarten, die Nvidia PhysX unterstützen, kommen in den Genuss von ein paar Physikeffekten, wie z. B. wehende Fahnen, splitterndes Glas, in der Luft herumschwirrende Partikel und noch ein paar weitere Feinheiten.

Die Level sind ziemlich linear gehalten, sodass der Weg des Spielers nur wenige Alternativen zulässt. Dafür ist die Bewegungsfreiheit relativ groß, sodass man sich als Spieler eher weniger eingesperrt fühlt. Außerhalb von Gebäuden wirkt die Umgebung manchmal einseitig, doch die Schauplätze selbst bieten eine gute Abwechslung. So kämpft sich Faith unter anderem durch eine U-Bahn-Station, ein Kaufhaus, ein Schiff oder eine Baustelle.

Gute Soundkulisse

Körperlich geht Faith an ihre Grenzen, was man auch an ihrer Atmung oder den Lauten nach einigen Aktionen zu hören bekommt. Der Soundtrack selbst hält sich sehr zurück, sodass häufig eher eine Ruhe herrscht und hauptsächlich nur die Geräusche von Faith selbst und dem Wind, der beim Rennen an ihr vorbeizieht, zu hören sind. In Momenten der Gefahr macht sich die Musik dann bemerkbar, um den Spieler so etwas anzutreiben. Den vollständigen Titelsound „Still Alive„ von Lisa Miskovsky bekommt der Spieler jedoch erst zum Schluss zu hören – dieser liegt übrigens auch zusammen mit Remixen als Musik CD beim Spiel dabei.

Und nach der Story?

Im Time Trial ist Geschwindigkeit gefragt
Im Time Trial ist Geschwindigkeit gefragt

Leider ist die Story ziemlich schnell durchgespielt. Doch damit ist der Spielspaß noch nicht abgeschlossen. Beim Speed Run können einzelne Kapitel noch mal durchgespielt werden, jedoch wird dort die Zeit gestoppt. Wer eine gute Zeit erreichen möchte muss sich ordentlich ranhalten und sollte sich nicht zu sehr mit Gegnern aufhalten. Die Zeiten werden online gespeichert, sodass man sich mit anderen Spielern messen kann. Als weiteren Modus gibt es noch den Time Trial Modus, welcher spezielle Parcours anbietet, die in möglichst schneller Zeit zurückgelegt werden müssen. Hier kommt es auf jede Zehntelsekunde und die Entdeckung alternativen, schnelleren Routen an. Wie auch im Speed Run werden die Zeiten in einer Online Rangliste gespeichert.

Weiterhin besteht die Möglichkeit die Kapitel der Story erneut zu spielen und sogar zu einzelnen Kontrollpunkten innerhalb eines Kapitels zu springen. Es lohnt sich noch etwas genauer umzusehen, denn in jedem Kapitel sind geheime Koffer versteckt, mit denen Bonusinhalte freigeschaltet werden können. Diese sind in den Extras, welche über das Hauptmenü abrufbar sind, wiederzufinden. In den Extras stehen Bilder, Videos und der Soundtrack zur Verfügung.

Wertung

Fazit

GC-Wertung
8,5

Der Umfang ist hinsichtlich der Physikengine und der Länge der Spielzeit etwas gering, doch dafür stimmt das Gameplay. Der Spieler erlebt ein Auf und Ab mit Verzweiflung durch die vielen Fehlversuche und viel Spielspaß. Das Rennen durch die Spielwelten mit den guten, schnell erlernbaren Moves sowie das Aufspüren von Wegmöglichkeiten machen unheimlichen Spaß. Auch wenn der Stil etwas ungewöhnlich ist, ist Mirror’s Edge ein gut gelungenes Spiel.