Testbericht: Trackmania 2: Canyon

PC-Version, getestet von Timo Schmidt am

Vor knapp acht Jahren begann ein Hype, wie er überhaupt nicht erwartet wurde. Wenn ich Menschen auf der Straße frage, was sie eher mit Frankreich in Verbindung bringen, erwartet mich gewiss der Verweis auf den Eiffelturm - verständlicherweise. Doch wenn die Befragten das Bauwerk mit einer Wettbewerbsfähigkeit in Verbindung bringen sollen, wird es schon schwieriger. Die „Tour de France“ bekäme diesbezüglich eine ganz neue Bedeutung, so heißt das französische Wort „Tour“ direkt übersetzt „Turm“. Doch bitte nicht den Eiffelturm hinab - das würde blutig enden. Besteht die Zielgruppe meiner Fragen aus Videospielern, lichtet sich das Dunkel und Freude breitet sich auf den Gesichtern aus. Hier würde die Antwort mit großer Wahrscheinlichkeit „Trackmania“ lauten. Warum diese ebenso verständlich wie vorprogrammiert ist, weshalb der neuste Ableger der Serie das Erfolgsprinzip mit Bravour fortsetzt und das Spiel nicht im Ansatz blutig, doch nicht minder spektakulär ist – dem gehe ich nun hier auf den Grund.

Ende 2003 erblickte ein innovatives Projekt das Licht der Welt und begann sofort die Herzen verschiedener Zielgruppen zu erobern. Anfangs die der Rennspiel-Fanatiker, der Strecken-Designer, zuletzt jene der Turnier-Spieler und beinahe aller anderen, die es zu Gesicht bekamen. Seit dem weltweiten Release des ersten Trackmania-Titels sollen laut dessen französischem Entwickler Nadeo dreißig Millionen Spieler ihre Runden auf den halsbrecherischen Strecken gedreht haben. Knapp über Zehn Millionen allein in den kostenlosen Fassungen Trackmania Nations ESWC und Trackmania Nations Forever. Doch wo liegt das Geheimnis, was ist die geheime Zutat, die Trackmania zu so einem Phänomen macht? In der einfach zu lernenden Steuerung? Die vier Pfeiltasten unabhängig voneinander zu koordinieren schafft immerhin beinahe jeder. Egal was es sein mag - acht Jahre und neun Ableger der Serie später macht Nadeo mit Trackmania 2 Canyon erneut mit haargenau der gleichen Idee so vieles richtig. Genug geschwärmt; wir wollen Fakten zu dem aktuellsten Titel!

Wenn man Trackmania 2 Canyon zum ersten Mal startet, fallen einem einige Änderungen zu den Vorgängern auf. Ich meine nicht die Kamera, die in Echtzeit über virtuelle, zerrüttete Canyon-Landschaften fliegt und somit das Hintergrundvideo des Hauptmenüs darstellt. Jenes sieht zwar tierisch gut aus, lenkt jedoch nicht von der Tatsache ab, dass alteingesessene Menüpunkte wie „Puzzle“ und „Racing“ gänzlich weg gefallen sind. Das ist nur eine der vielen Veränderungen, die die Schöpfer der Serie angetan haben, doch dazu später mehr. Visuell schlägt Trackmania 2 eine bestimmte Richtung ein, behält sie permanent bei und macht damit einen echt scharfen Eindruck! Nadeo verlieh den Menüs des Spiels eine übersichtliche Struktur und hat an jeder Ecke Möglichkeiten eingebaut, diese zu erweitern beziehungsweise seinen Vorstellungen anzupassen. Jeder Menüpunkt ist bis ins kleinste Detail durchdacht und hat einen Grund zur Existenz.

Computerfetischisten könnten anfangs den Eindruck erlangen, das Spiel sei ein Konsolenport, so fehlt doch jegliches Einstellungsmenü. Doch nur auf den ersten Blick, denn die Entwickler haben eine sogenannte Speed-Bar an den oberen Rand des Bildschirms eingefügt, die für den Spieler sehr wichtige Informationen sowie Shortcuts zu diversen Einstellungsmöglichkeiten bietet. Bei den Vorgängern gab es diese zwar auch, doch nicht in diesem Umfang. Ein gutes Stichwort, denn der Umfang ist es, was Trackmania 2 Canyon gerade ausmacht! Abgesehen von Tausenden, von der Spielergemeinde gebauten, Strecken bietet es so vieles, was man bei anderen Games vergeblich sucht, beziehungsweise jetzt erst nach Dekaden von neuen Teilen integriert wird. Spielintern wird man zwar über verschiedene Menüpunkte zu bekannten Möglichkeiten, wie die der Auswahl des Fahrzeugskins und Bearbeitung seines Profils geführt – doch die Innovationen finden sich im Detail!

So sind die Wettbewerbs-Funktionen der Reihe weitaus bekannt, doch derart durchdacht waren sie nie. Hierzu ein Beispiel: Ich habe einige Runden auf einer bestimmten Strecke auf einem Mehrspielerserver gedreht und war mit meinen Leistungen unzufrieden. Zum Glück stellte sich heraus, dass jene Strecke eine der offiziellen Nadeo-Strecken ist, die ohnehin im Spiel enthalten sind. Also begann ich im Einzelspielermodus damit, auf der Bahn zu trainieren und schaltete währenddessen Medaillen von Bronze bis Gold frei. Sogar eine Spezial-Medaille gelang in meinen Besitz, als ich eine Bestzeit der Entwickler schlug. Doch zufrieden war ich lange nicht und feilte weiter an meiner Fahrweise. Plötzlich bot mir das Spiel an, eine offizielle Zeit aufzustellen um die weltweite Rangliste speziell für diese Strecke zu erklimmen. Es sind ebenfalls Ranglisten für das eigene Land und sogar Bundesland integriert, die auf sogenannten Ladderpoints aufbauen, welche ähnlich wie Skillpoints agieren. Man kann sich Skillpoints verdienen, um seine Fähigkeiten mit anderen Spielern messen zu können.

Je mehr ihr euch davon mit einer offiziellen Zeit erspielt, desto mehr Planets verdient ihr. Diese stellen die virtuelle Währung von Trackmania dar. Mit ihnen können sowohl andere Karten für seinen Server gekauft, andere Server mit Spenden (zum eben genannten Kauf von neuen Karten) unterstützt, und befreundete Spieler beschenkt werden. Was diese damit anfangen können ist ebenfalls gut durchdacht. Planets können in neue Fahrzeugmodelle und -skins, neue Avatare, neue Teile für den Editor (auf den ich später näher eingehe) und vieles mehr investiert werden. Obendrein erwähnenswert sind sogenannte Manialinks – ins Game integrierte Programme, die man als User selbst schreiben kann, um sie dann per Ingame-Link an andere Spieler weiterzuleiten und Planets zu scheffeln. So existieren schon jetzt dank dieser Funktion im Spiel selbst innovative Dinge wie Planets-Lotterien oder gar Avatar-Generatoren. Auf diese Weise herrscht hier eine ganz neue Generation virtueller Wettbewerbstauglichkeit. So existiert eine solide Abfolge: Bessere Zeiten → mehr Skillpunkte → mehr Ladderpoints → bessere Plätze für das eigene Land, Bundesland, Team, etc. → mehr Spielinhalte und Herausforderungen → mehr Spaß.

Natürlich ist auch der Editor mit an Bord - Carrera in allen Ehren. Dieser beinhaltet neben den gewohnten Funktionen eine ganze Palette neuer Blöcke und Baumodi. Nun ist es möglich, wortwörtlich geographische Spuren zu hinterlassen: So lassen sich unter anderem Canyons und Hänge ausheben und formen. Es bietet sich also ein nie dagewesener Raum für die kreativen Köpfe unter euch! Doch halt - wo ist der altbekannte Puzzle-Modus, der einen vorgegebene Strecken komplettieren beziehungsweise korrigieren ließ? Der Tatsache fühlte ich für euch natürlich genau auf den Zahn und sprach mit Edouard Beauchemin, seines Zeichens Mitarbeiter bei Nadeo, über die gravierendsten Veränderungen. Er begründete das Entfernen der Modi mit der Tatsache, dass ihnen in der Vergangenheit kaum Beachtung galt und man sich bei der Entwicklung daher mehr auf die elementaren Bestandteile konzentrieren wollte. So wurde der Einzelspielerpart um mehr Staffeln erweitert und jedes Detail des Multiplayerfeatures soweit ausgebessert, dass jeder damit zufrieden sein sollte.

Um eines klar zu stellen: Das Gameplay fühlt sich verdammt gut an! Die Steuerung reagiert präzise auf die Einwirkungen meiner drei Finger und auch das Fahrmodell mutet realistischer an, als es auf den ersten Blick scheint. In den Vorgängern konnte man zum Beispiel durch das Antippen der Rückwärts-Taste während eines Sprunges das Fahrzeug dazu bringen, „still“ weiter zu fliegen ohne sich der Sprunglaufbahn entsprechend zu neigen oder zu drehen. Aus offensichtlichen Gründen wurde dies komplett entfernt und musste einem neuen, viel interessanteren Feature weichen: Das Driften. Durch das gut abgepasste Zusammenspiel der Vor- und Rückwärtstasten ist es möglich, mithilfe halbwegs realistisch simulierter Fliehkraft auf der Strecke z. B. um Kurven zu driften. Was sich anfangs wie komplexe Wissenschaft anfühlt, wird nach wenigen Runden zur Gewohnheit, jedoch permanenter Herausforderung. Ohne den richtigen Drift zum perfekten Zeitpunkt erkämpft man sich kaum eines der ersten Plätze, die mit den meisten Ladderpoints belohnt werden.

Wer unterwegs einen Spieler trifft, der auf dem ersten Platz liegt, während man vergeblich immer wieder einen Versuch startet, auch nur ansatzweise in den oberen Rängen zu landen, kann nun aufatmen! Es besteht die Möglichkeit dem Spieler entweder in Echtzeit bei seinem Abklappern der Strecke über die Schulter beziehungsweise das Heck zu schauen, oder seine Bestzeit binnen weniger Sekunden auf der lokale Festplatte zu speichern um gegen sein Abbild offline zu Trainingszwecken anzutreten. Übrigens muss man sich zu keinem Zeitpunkt Gedanken über die bis zu über 200 Kontrahenten auf der Strecke machen. Nicht, weil einem dauernd ein Mitspieler vor die Haube fährt - denn in Trackmania ist seit Jeher eine Kollision mit Mitspielern zu Gunsten des Spielflusses ausgeschlossen - was für manch Spieler jedoch auch einen Kritikpunkt darstellt. Zudem bleibt abschließend zu erwähnen, dass das Spiel die Plätze anhand der Bestzeit errechnet. Ein Kopf-an-Kopf-Rennen ist also nur so lange möglich, bis der erste oder man selbst einen Abstecher in die Pampa macht. Nichts was ein Respawn mit Druck auf die Backspace-Taste nicht beheben könnte. Frust kommt jedoch nicht auf, denn die Runden sind meist kurz gehalten und ermöglichen ein mehrmaliges Befahren der Strecke bevor die Zeit abgelaufen ist. Durch diesen Umstand entsteht ein „Noch einmal“-Effekt, der in gewisser Weise einen Suchtfaktor darstellt. Dieser Effekt zeichnet die Reihe aus, verleiht ihr ein einmaliges Spielgefühl und hebt Trackmania so aus der Masse anderer Casual-Racern hervor.

Grafisch bringt Trackmania 2 Canyon die Räder zum Glühen und zaubert so manch offene Kinnlade auf die Gesichter der Fahrer. Die überarbeitete Engine bietet derart korrekte Spiegelungen der Umgebung und vor allem auch beeindruckenden Lichteffekte, dass es erstaunlich ist mit welch konstant hoher Framerate das Profil der Reifen abgefahren werden kann. Optionen (im überdies externen Einstellungstool) wie das Deaktivieren des Fahrzeuglimits addieren dem Spielgefühl einen gewissen Wuselfaktor, doch erhöhen den Spielspaß ungemein. Wer sieht nicht gerne, wie 40 Fahrzeuge an die nächste Wand knallen, während man selbst diese mit Bravour umfährt? Sollte letzteres doch nicht klappen, kann man mit ansehen, wie an den entsprechenden Stellen Dellen und gravierendere Schäden entstehen – diese sind jedoch zu Gunsten der Spielbalance rein kosmetischer Natur. Besonders beeindruckend zeigen sich Runden auf nächtlichen Strecken. Echtzeitschatten und reflektierende Scheinwerfer sind nur Begriffe, die Nadeos Handwerk nicht im Ansatz beschreiben könnten.

Wertung

Fazit

GC-Wertung
8,5

Es gibt noch so vieles, was erwähnt werden will. So vieles, was dazu beiträgt aus Trackmania 2 Canyon ein einzigartiges Erlebnis zu machen. Die aktive Community und ihre kreativen Köpfe stellen hier zusätzlich einen Motor dar, der die Maschine noch über Jahre hinweg am Laufen halten wird. Wer auf den Wettbewerb steht, womöglich sogar bei der ESL registriert – oder einfach nur durchgeknallt und kreativ ist, wird mit diesem Stück Rennkultur seinen Spaß haben. Grafikfetischisten haben ebenso wenig zu kritisieren, denn Spiegelungen, Schatten und HDR-Effekte machen aus dem ganzen ein Bild, welches man ohne Zögern im Louvre aufhängen könnte. Bravo, Nadeo!