Testbericht: Control

PC-Version, getestet von Timo Schmidt am

Spätestens seit Quantum Break im Jahre 2016 erschien, ist vielen Spielern klar: Das Entwicklerstudio Remedy hat es auf wirre, spannende Storylines und Settings abgesehen. Schon das Zeitreise-Abenteuer, das unsere Entscheidungen in einer dazugehörenden Life-Action-Serie reflektierte, erhielt wegen technischer Probleme leider durchschnittliche Wertungen – wurde von Fans jedoch geliebt.

Das neuste Spiel der Schmiede und dem Publisher 505 Games – Control – geht neue Wege und wird von Beginn an als waschechtes Metroidvania präsentiert. Das bedeutet konkret: Die Spielwelt ist grundsätzlich umfangreich und offen erkundbar – verschiedene Passagen werden aber blockiert und können nach Erhalt neuer Spielerfähigkeiten überwunden werden. Das fördert den Erkundungsdrang und in Kombination mit einer durchdachten Narrative sorgt das für ein ziemlich glaubwürdiges und gleichermaßen motivierendes Gerüst.

Streng vertraulich

Hinweis: Es ist schwer, bei einem Spiel mit solch starkem Fokus auf komplexer Narrative und der Aufdeckung verschiedener Plottwists, in einem Test nicht zu sehr ins Detail zu gehen. Deshalb versuchen wir nachfolgend die wichtigsten Spielelemente so gut wie möglich zu ergründen – gehen dabei jedoch bewusst nicht allzu sehr auf die Antagonisten und die Handlung ein. Des Weiteren unterliegen wir gewisser Geheimhaltungsrichtlinien des FBC, weshalb gegebenenfalls einige Abschnitte vor Hochladen des Testberichts geschwärzt werden könnten.

In der Rolle von Jesse Faden betritt der Spieler das geheimnisumwobene Gebäude der Federal Bureau of Control (Informationen zum FBC finden sich im nächsten Abschnitt). Im Inneren trifft sie keine Menschenseele bis auf den alten Hausmeister Atih, welcher ihr ein Jobangebot als Assistentin macht. Zynisch nimmt sie das Angebot nicht ernst, jedoch lapidar an – ohne zu wissen, was sie damit in Gang bringt. Während sie das ausgestorbene Gebäude weiter erkundet, findet sie den Leiter der Organisation tot in seinem Büro. Neben seiner Leiche liegt eine Waffe (Informationen zur Amtswaffe finden sich im nächsten Abschnitt).

Als Jesse die Waffe aufhebt, sieht sie eine Vision einer invertierten, schwarzen Pyramide und eine Stimme in ihrem Kopf stellt sich als der „Rat“ vor (Informationen zum Rat finden sich im übernächsten Abschnitt). Sie sei nun der neue Leiter des FBC und habe einige Aufgaben – mitunter das Beschützen des sogenannten „Ältestenhauses“ (siehe übernächster Abschnitt). Eine geheimnisvolle Macht habe den sich immer verändernden Komplex überrannt und gilt bekämpft zu werden.

Klingt verwirrend – ist es auch ganz bewusst: Viele Informationen bleiben dem Spieler bewusst vorenthalten und die Handlung ergibt erst viele Stunden später plötzlich Sinn: Hin und wieder trifft Jesse auf neue Protagonisten, als auch Antagonisten – welche alle eigene Beweggründe und Hintergrundgeschichten des Ältestenhauses mitbringen. Diese aufzudecken und das Puzzle rund um den geheimnisvollen Rat sind neben dem Kampf gegen die unbekannte Bedrohung der Kern von Control.

Ein Kernkonzept das rockt

Im Kern ist Remedys neues Spiel ein 3rd-Person-Action-Game. Die Protagonistin lernt nach und nach neue Fähigkeiten, indem sie mysteriöse Objekte der Macht findet – was den Weg in neue Bereiche der Spielwelt ebnet und gleichermaßen dem Kampf gegen ihre Gegner abwechslungsreicher gestaltet. Wo Jesse zu Beginn lediglich mit der Amtswaffe eine sich wandelnde Pistole, Schrotflinte und Co besaß, kann sie nach wenigen Spielstunden Materie per Telekinese anheben, werfen oder gar Granaten abfangen. Irgendwann gesellen sich immer mehr Movements hinzu, sodass ein ganz eigener Spielstil mit ziemlich hektischen Kämpfen und erstaunlich freier Erkundung entsteht.

Auch Jesses Gegner greifen auf verschiedene Angriffsmuster sowie Movesets zurück: Manche schweben, manche sind sehr schnell – wieder andere einfach schwer gepanzert und von einem zusätzlichen Energieschild geschützt. Sich schnell an die Situationen anzupassen und das Verhalten der Feinde zu lernen hilft in Control ungemein, da ein Ableben mehr als nur einmal um die nächste Ecke warten wird. Das wirkt auf Dauer gerade bei größeren Gegnermassen oder Boss-Kämpfen hier und da zwar unfair – sobald der Spieler jedoch weitere Fähigkeiten erlernt hat, kann man sich noch einmal heranwagen und andere Taktiken einsetzen.

Getreu dem Metroidvania-Konzept sammelt der Spieler in Control neben Token für verbesserte Fähigkeiten auch Ressourcen, um Waffen und passive Skills zu verbessern – Metroidvania-Perlen wie etwa Indie-Titel Hollow Knight lassen stolz grüßen. Bei einem Ableben werden jedoch nicht etwa Ressourcen verloren, sondern Jesse an den letzten Checkpoint zurückgeworfen. Diese finden sich an vielen Orten im Ältestenhaus und müssen zuvor von Gegnern beseitigt und übernommen werden. Hier lassen sich Ressourcen ausgeben, Punkte verteilen das Schnellreisesystem zu anderen Punkten nutzen und sogar andere Outfits anziehen.

Der größte Star des Spiels ist neben der Handlung und wirren Charaktere jedoch ganz klar die Spielwelt; ganz konkret das Ältestenhaus. Ohne zu sehr ins Detail zu gehen – etwas das schon zu Beginn angedeutet wurde – haben hier die Level Designer Remedys ganze Arbeit geleistet. Zu Beginn wirkt alles sehr trist und eintönig: Die Natur eines Bürokomplexes eben. Doch je tiefer man sich im Kaninchenbau des FBC, insbesondere darüber hinaus, verirrt, desto spannender die Prämisse. Das lässt sich leider schwer präzisieren, ohne etwas vorwegzunehmen. Gesagt sei eines: Wer sich zu Beginn hinsichtlich des Level Designs etwas langweilt, soll am Ball bleiben. Es lohnt sich.

Das Spiel bietet neben der recht massiven, etwa 11 Stunden langen Handlung und etlichen Nebenaufgaben additional zufällige Events in der Spielwelt, Aufgaben und verspricht bereits jetzt einige spannende Endgame-Inhalte auf der offiziellen Roadmap. Dazwischen finden sich kontant neue Informationen zur Welt, Hintergrundgeschichte und den Charakteren in Form von Tonbändern, Videoaufzeichnungen sowie (teilgeschwärzten) Protokollen. Und tatsächlich: Alles greift ineinander, alles ergibt irgendwann einen Sinn, selbst spielübergreifende Referenzen warten auf einen. Fans komplexer Lores werden sich wohl fühlen – sehr schön!

Eine Ode an das Auge

Frei heraus: Control sieht unglaublich gut aus – insbesondere auf dem PC. Das Spiel utilisiert NVIDIAs Echtzeit-Ray-Tracing bei entsprechenden RTX-Grafikkarten in vielerlei Hinsicht, was zu atemberaubenden Effekten sorgt. Gerade die Echtzeitspiegelungen und -beleuchtung haut einen regelmäßig vom Hocker. Konkret: Szenerien sind realistisch ausgeleuchtet, der Schattenverlauf fließend und das Bild wirkt hier und da phänomenal realistisch.

Ungleich der bisher in allen Spielen eingesetzten, sogenannten Screen Space Reflections – welche grundsätzlich nur Objekte, die auf dem Bildschirm sichtbar sind, als Reflektionen darstellen konnten – ist das gesamte Level inklusive aller verstreuten Gegenstände, Effekte und Gegner Bestandteil dieses Repertoires. In Kombination mit der realistischen Beleuchtung und den Schattenverläufen entsteht ein unglaublich homogenes, realistisches Bild. Das wirkt sich derart auf den Spieler aus, dass man nach dem Durchspielen Remedys neusten Abenteuers bei „herkömmlichen“ Spiele direkt ins kalte Grafik-Wasser geschmissen wird.

Leider zerrt das optische Schmankerl selbst auf einer NVIDIA RTX 2080 Ti unter einem potenten Prozessor unfassbar viel Leistung: Bei aktivierten RTX-Features unter DirectX 12 (welches hierfür notwendig ist) kann es gut passieren, dass die Bildrate durch die Bank halbiert wird. Das klingt erst einmal enorm, kann aber durch NVIDIAs Deep Learning Super Sampling, kurz DLSS, gekontert werden: Das Spiel wird auf eine von zwei niedrigen Auflösungen herunter geregelt und dann auf die native Grundauflösung hochgerechnet. Das Sieht auf dem ersten Blick nur bedingt perfekt aus, sorgt aber bei hektischem Gameplay für einen Leistungszuwachs je nach gewähltem Preset von bis zu 50 %.

Nicht alles das glänzt…

Leider sind gerade solch technisch ausgefeilte Titel mit einer umfangreihen Spielwelt nicht vor Fehlern gefeit und gerade was die Performance betrifft, gab es doch so manch Abstriche bei Release. So bricht die Bildrate trotz starker Hardware in hektischen Kämpfen gerne mal ein: Kein Wunder, denn gelegentlich fliegen Gegner, Schutt und Funken gleichermaßen durch die Luft. Die Partikeleffekte sind atemberaubend, aber der Klotz am Bein der flüssigen Action. Hier hilft es, sich durch die Einstellungen zu kämpfen und zu versuchen das erzwungene Motion Blur per Konfigurationsdatei zu deaktivieren.

Des Weiteren lässt die deutsche Synchronisation des Spiels mehr als zu wünschen übrig. Die Sprecher wirken entweder gelangweilt oder scheinen das Skript blind – ohne die Szene zu sehen – eingesprochen zu haben. Schad eigentlich; so sind die Sprecher per se durch die Bank passend gewählt. Nach etwa einer Stunde Spielzeit haben wir aus Neugier in den englischen O-Ton gewechselt und siehe da: Plötzlich haben Gespräch realistischen hall, passen zur Szene und Situation. Wer ein glaubwürdigeres und poliertes Erlebnis will, sieht also am besten leider von der deutschen Sprachausgabe ab.

Auch die Menüs wirken recht sperrig und wurden wohl auf die Konsolen-Steuerung angepasst: Zwar lässt sich alles per Maus und Tastatur bedienen – die Diskrepanz zwischen den unterschiedlichen Unterpunkten kann gelegentlich aber recht verwirrend sein und manchmal muss man das gewünschte Untermenü lange suchen. Da hilft es nicht, wenn sich keine Auswahl der Fähigkeiten-Punkte oder das Investieren von Ressourcen rückgängig machen lässt.

Wertung

Positiv

  • großartige, dichte Haupthandlung
  • unheimlich interessante Nebenstränge
  • Spielwelt birgt unendlich Möglichkeiten
  • dynamische, unterhaltsame Kämpfe
  • viel zu tun, noch mehr zu entdecken
  • RTX On: Auf dem PC ein Grafikwunder

Negativ

  • deutsche Vertonung lässt zu wünschen übrig
  • unhandliche, verschachtelte Menüs
  • Performance bedarf Optimierungen

Fazit

GC-Wertung
9,0

Jesses Ausflug ins Federal Bureau of Control und die Berufung zum Direktor ist gespickt mit allerlei Hindernissen und großen Geheimnissen. Der Plot, das Setting und die Kämpfe gehören zu den größten Stärken des Action-Adventures Control. Nach und nach entfaltet sich eine atemberaubende Welt voller Mysterien vor dem Spieler, welche mit viel Effekthascherei und dynamischen und doch hektischen Kämpfen und beinahe nicht greifbar geheimnisvollen Antagonisten trumpft. Gerade auf dem Computer dürfte das Spiel dank Ray Tracing eine neue Grafikreferenz darstellen – eine bessere Performance wäre jedoch nicht schlecht gewesen.

Perfekt ist der Ausflug in das gigantische Ältestenhaus nicht und gerade die deutschen Sprecher hätten mit mehr Elan und Wissen an das ganze ran gehen können – doch Control ist ein klarer Anwärter des Spiel des Jahres 2019. Es ist, wie es ist und zum Schluss bleibt uns nur noch eine enorm wichtige Sache zu erwähnen: Lasst niemals den Kühlschrank aus den Augen. Viel Erfolg, Direktor.

Vielen Dank an eleven media GmbH für die Bereitstellung des Testmusters.