Testbericht: Borderlands 3

PC-Version, getestet von Timo Schmidt am

Mit Borderlands 3 knüpft Gearbox Software unter der Hand von Publisher 2K Games erneut an dem Erfolgsrezept der bekannten Reihe an: Looten, Shooten, Lachen. Mit einer umfangreichen Kampagne macht das Spiel seit dem 13. September 2019 PC, PlayStation 4 sowie Xbox One unsicher. Eine Frage bleibt: Klappt ein Genre-Glücksgriff auch zum dritten Mal in Folge?

Der Hype hinter dem Phänomen Borderlands war immer recht groß: kaum eine Spielreihe schaffte es derart erfolgreich, das Leveln und Looten Prinzip so gekonnt mit einer großen Spielwelt, spaßig abwechslungsreichen Shooter Mechaniken und liebenswerten Charakteren zu vereinen. Kein Wunder also, dass das erscheinen des dritten Teils für Furore sorgte. Nachdem der erste Teil damals noch wegen seines – trotz der ulkigen Comic-Grafik – hohen Gewaltfaktors mit entsprechenden Effekten hohe Wellen in Presse und Politik schlug, schlossen Millionen Spieler weltweit den Humor dahinter ins Herz. 

Nicht verwunderlich also, dass ein zweiter Anteil an diesem Erfolg anknüpfen wollte und – gegen alle Erwartungen – diesen sogar übertrumpfen konnte: Die Community liebte die Jagd nach der geheimnisvollen Kammer und den Kampf gegen Antagonisten Handsome Jack so sehr, dass sich die Reihe mit Borderlands 2 vollends zu einem weltweiten Phänomen mauserte. Das Spiel erschien in mehreren Ausführungen auf mittlerweile mehr als zwei Konsolengenerationen und wird noch heute fleißig gespielt. 

Planeten-Hopping 101

Borderlands 3 ließ erstaunlich lange auf sich warten, doch nun ist es soweit: Nachdem der Schatzplanet Pandora, auf dem Teil 1 und 2 spielten, uninteressant wurde, macht sich die ulkige Truppe aus Roboter Claptrap, Sirene Lillith und Co auf den Weg andere Himmelskörper nach Loot zu durchforsten. Im Grunde brilliert Borderlands nicht wirklich mit einer tiefgründigen Geschichte, wusste in der Vergangenheit aber dann doch erstaunlicherweise mit tiefer Lore und spannenden Charakteren zu überraschen.

Dennoch lässt sich die Handlung schnell herunter brechen und zeigt recht schnell die größten Schwächen des neuen Ableger auf: Die mächtigen Sirenen sind bekanntlich sehr selten und im ganzen Universum verstreut. So wohl auch Artefakte, welche die nächsten Kammern öffnen können. So macht sich die bekannte Truppe auf, um andere Planeten nach ihnen zu durchforsten. Diese Rechnung wird schnell von einem hippen Geschwisterpaar durchkreuzt: Die Calypso-Zwillinge Troy und Tyreen können Möchtegern-Helden gar nicht gebrauchen; jetzt da sie interstellare Influencer sind. 

Richtig gelesen: Die primären Antagonisten des Spiels sind ziemlich eingebildete, vorlaute Influencer. Sprüche wie etwa „Don’t forget to like, subscribe and obey!“ sind an der Tagesordnung und nerven schon recht früh genau so, wie es klingt. Immer wieder spucken sie uns in die Suppe und hetzen ihre Follower, die Children of the Vault, auf die Gruppe mutiger Kammerjäger. Wer Borderlands 2 gespielt hat, erwartet nun an verschiedenen Stellen vielleicht den einen oder anderen Plottwist, der das Ganze würzt. Doch Fehlanzeige: Die Handlung entpuppt sich als ziemlich eintönig und abgesehen von einigen wenigen liebenswerten Nebenschauplätzen und -Charakteren brannte sich die Story nicht sonderlich in unser Gedächtnis. 

Immerhin finden sich gelegentlich Momente, in denen der typisch derbe Borderlands-Humor abgefeuert wird. So besteht eine Questreihe beispielsweise tatsächlich nur daraus, Claptrap zu einem neuen Hut zu verhelfen. Ob er am Ende während des restlichen Spiels nun einen kleinen Regenschirm oder Aluhut inklusive zynischer Kommentare auf dem Kopf trägt, bleibt immerhin uns überlassen. Solche Momente sind zwar nicht rar, finden sich aber nur mit viel Geduld zwischen den trockenen und peinlichen Story-Strängen wieder. 

Shooten und Looten! 

Borderlands wäre nicht Borderlands, wenn der Hauptaspekt des Spiels nicht das Spielerische selbst sei. Abertausende Waffen, coole Skills und viele, viele Gegnertypen machen das Erlebnis immerhin grundlegend aus. Wenn die Chemie hierbei stimmt, kann man auch jede noch so tröge Story eigentlich verzeihen, richtig? Und lasst uns euch sagen: Gearbox hat in diesem Punkt ordentlich auf die Kacke gehauen.

Die vier spielbaren Klassen könnten nicht unterschiedlicher sein: Die Sirene Amara hat so einige Zaubertricks auf Lager, Soldatin Moze steuert einen dicken Mech und Zane ist ein gnadenloser Agent, welcher mit Hologrammen und einer Drohne Gegner ärgert – während Roboter FL4K hingegen als vierte Klasse ein Haustier mitbringt. Für jeden etwas dabei, bietet das Spiel hier große Kontraste, welche sich durch jeweils drei komplett unterschiedlichen Skilltrees noch mal weiter aufdröseln lassen. Irgendwie wirkt das anfangs schlicht, bietet aber nach und nach deutlich mehr Spieltiefe, als wir es etwa von Borderlands 2 kennen.

Auch das Waffenarsenal des Spiels wurde immens erweitert – nicht dass die Reihe dies jemals nötig gehabt hätte. So finden sich mehrere Hunderttausende Waffenausführungen, welche vom Spiel – abgesehen von einzigartigen, seltenen Varianten – zufällig zusammen gewürfelt werden. Darunter finden sich dieses Mal jedoch unfassbar witzige Variationen, wie man sie nur in einem Borderlands antreffen könnte: Eine Waffe, welche beim Nachladen geschmissen auf zwei Beinen dem Gegner hinterher rennt, während sie dessen Mutter beleidigt, ist schon eine ziemlich große und vor allem wirklich amüsante Nummer. Viele der neuen Waffen bringen nun auch erstmals einen zweiten Feuermodus mit sich, der beispielsweise kleine Raketen abfeuert. Die Möglichkeiten scheinen schier endlos und machen so an sich den größten Reiz des Spiels aus. Dazu kommen eine reiche Auswahl an neuen, unterhaltsamen Fahrzeugen: Neben dem üblichen Truck mit Geschütz finden sich sehr exotische und teils absurde Modelle, die das Gameplay gut abrunden.

Der Mehrspielermodus, also die grundlegende Funktionalität des Spiels wurde auf eine gute Art und Weise ausgebaut: Dieses Mal kann man jederzeit Freunden und sogar Fremden per gut funktionierendem Matchmaking beitreten. Zu Ende die Zeiten in denen stundenlang auf den Koop-Partner gewartet werden muss, falls man nicht alleine losziehen wollte. Das funktionierte in unserem ausführlichen Test auch sehr gut. Leider bietet auch der dritte Teil der beliebten Reihe nur auf Konsolen die Möglichkeit, das Abenteuer per Splitscreen an einem Gerät zu genießen.

Der neuen König?

Im Grunde hat Borderlands 3 wieder alles, was das Genre-Herz höher schlagen lässt: Tollen Humor, schier unendliche Item-Variationen, tolle abwechslungsreiche Klassen und eine große Spielwelt auf mehreren unterschiedlichen Planeten. Selbst die Musik stimmt durch die Bank und die Grafik-Engine wurde trotz Grafikstil entsprechend ordentlich aufgebohrt. Doch leider ist auch bei einem derart langerwarteten AAA-Release bekanntlich nicht alles Gold was glänzt.

Wir haben viel erwartet und sind selbst überrascht, in welcher Disziplin sich Borderlands 3 endgültig selbst das Bein stellt. Gerade nach einem Handsome Jack in den Vorgängern wundert es doch sehr, wie so etwas passieren konnte: Tyreen und Troy, die Calypso-Zwillinge nerven. Und zwar so sehr, dass man irgendwann einfach keine Lust mehr auf die Kampagne hat: Nicht schlimm, könnte man meinen – so hat das Spiel viele Schauplätze und Nebengeschichten abseits des Hauptpfades… Doch leider ist eine Begegnung mit den beiden Möchtegern-Hipster-Influencern unausweichlicher als Durchfall nach einer großen Portion Chilli Con Carne.

Solche Worte finden wir hier tatsächlich nicht oft, doch anders kann man diese Mühsal leider nicht benennen. Die Sprüche nerven, die Gespräche in den Cutscenes; ja ihr ganzes Verhalten und auftreten verdirbt einem schnell den Spielspaß. Man war schon beinahe froh, dass die Kampagne irgendwann ihr Ende nimmt. Das kennt man anders von 2K und es macht uns traurig.

Wer die Vorgänger nicht nur wegen ihrer Handlung und Charaktere gespielt und geliebt hat, kann bei Borderlands 3 natürlich dennoch recht bedenkenlos zugreifen. Die Mechaniken greifen nahtlos, das Gameplay rockt nach wie vor und die Jagd nach verrückten Loot motiviert. Wer sich anderes erhofft hat, sollte bei einem Sale zugreifen, damit das Loch im Geldbeutel nicht all zu sehr weh tut.

Wertung

Positiv

  • Tolle Waffenvielfalt mit unterhaltsamen Variationen
  • Große erkundbare Karten auf div. Planeten
  • Toller Soundtrack und netter Grafikoverhaul
  • Typischer Borderlands-Humor an jeder Ecke

Negativ

  • Die nervigsten Widersacher, die es je gab
  • Technische Macken auf dem PC
  • Fahrzeug-Handling könnte besser sein
  • Cutscenes gelegentlich asynchron

Fazit

GC-Wertung
7,0

Borderlands 3 greift erfolgreich alte Tugenden auf und erweitert sie um spannende und ebenso witzige Aspekte. Die Waffen scheinen hier neben den abwechslungsreichen Klassen der Star des Spiels zu sein. Etwas, das man leider ganz und gar nicht von der Kampagne oder gar den Antagonisten sagen kann. Letztere nerven von Anfang bis hinten und zeigen, welche Qualitäten ein Handsome Jack hatte. Wer das ausblenden kann, findet in dem neuen Abenteuer rund um Claptrap, Lillith und die Kammerjäger fast sicher mit seinen Freunden den Heiligen Gral der Looter-Shooter.

Vielen Dank an 2K Games und Gärtner PR für die Bereitstellung des Testmusters.