Vorschau: Jagged Alliance: Back in Action

PC-Version, getestet von Stefan Brauner am

Ehrlich gesagt ging es mir bei Jagged Alliance: Back in Action genauso, wie vielen anderen Jagged Alliance 2-Fans auch: Ich hatte Angst, dass bitComposer das Spiel mit dem Austausch des typischen rundenbasierten Gameplays durch ein neues System verhunzt. Somit ging ich mit Skepsis, aber zugleich auch mit Hoffnung und etwas Vorfreude zur Vorstellung des Remakes. Stellt sich nun die Frage: Kann es das Remake mit dem Klassiker aufnehmen?

Die gute Nachricht vorweg: Die Gemeinsamkeiten mit Jagged Alliance 2 sind nicht zu übersehen. Die Story ist die gleiche und auch die fiktive Insel Arulco samt ihren Städten ist im Grunde gleich geblieben. Nur wurde halt vieles für die heutige Zeit so angepasst ohne es dabei direkt zu übertreiben. Als Beispiel gibt es eine isometrische 3D-Grafik, welche auf den ersten Blick die klassische Perspektive bietet, aber gleichzeitig auch etwas flexibler und um einiges schöner ist. Die Umgebungen sind grafisch gut aufgepeppt, die Kamera lässt sich drehen und zoomen und trotzdem sieht es noch aus wie ein Jagged Alliance.

Nicht nur hübscher, sondern auch detaillierter – die neue Weltkarte
Nicht nur hübscher, sondern auch detaillierter – die neue Weltkarte

Etwas ungewohnt ist die neue Kartenansicht. Beim ersten Anblick war ich sehr verwundert. Sah Arulco wirklich so aus? Irgendwas ist da anders. Anstelle der alten Quadrate setzt sich die Weltkarte nun aus den echten Ansichten der Sektoren zusammen, sodass beim Reinzoomen auch jede einzelne Straße zu sehen ist. Sehr gelungen, wie ich finde. Die Auswirkung ist dabei nicht nur optischer Natur, sondern besitzt auch eine Relevanz bei der Fortbewegung der eigenen Truppen. Wer seine Truppen in einen anderen Sektor entsenden möchte, der kann die Einheiten damit direkt über die Straßen schicken. Dies ist der schnellste, aber auch gleichzeitig der gefährlichste Weg. Das Spiel wählt hierbei automatisch die schnellste Route.

Das Interface wurde komplett neu gestaltet, hat aber trotzdem einen enormen Wiedererkennungswert. Auf der linken Seite die Liste der Söldner mit Portraitbild, Zustand, primären und sekundären Waffen sowie der aktuellen Munition, unten eine im Vergleich zu früher etwas detailliertere Minimap und die Liste mit Befehlen für das Plan&Go-System. Am rechten Kartenrand befinden sich einige Befehle, wie beispielsweise die Haltung oder die Größe der Feuerstöße. Auch dort ist alles beim alten: Der Söldner kann sich hinlegen, ducken oder stehen sowie Einzelschüsse, Feuerstöße oder auch Dauerfeuer abgeben.

Die Söldner haben, wie auch schon damals, eine Anzeige für Gesundheit und Ausdauer. Die Gesundheit geht bei Verletzungen verloren. Wird eine Person verwundet, sollte diese verarztet werden, da sie ansonsten verblutet. Die Ausdauer verbrauchen die Söldner automatisch im Laufe der Zeit. Der Verbrauch richtet sich dabei danach, wie schnell und auf welchem Untergrund sie laufen. Auf der Straße ist es natürlich viel einfacher als einen anstrengenden Weg durch den Wald. Und bei langen Sprints ist die Puste auch recht zügig raus. Endlos lange durch den gesamten Sektor zu rennen ist daher nicht möglich. Es bedarf also einen erholsamen Schlaf. Neu ist übrigens die Camouflage. Während es zuvor nur die Tarnfarbe für das Gesicht gab, ist nun auch die gesamte Kleidung relevant. Je besser diese zur Umgebung passt, desto schwieriger ist es für den Gegner, die eigenen Söldner zu entdecken.

Nicht zu vergessen: Der Laptop-Screen. Wie in den guten alten Zeiten lassen sich hier die A.I.M.-Söldner kontaktieren und anheuern. Auch wenn sich die Technik seit Jagged Alliance 2 enorm weiterentwickelt hat, gibt es trotzdem noch den damaligen technischen Stand zu sehen: Beim Kontaktieren der Söldner wählt sich das Laptop immer noch mit einem alten Modem ein, um die Verbindung für die Videotelefonie mit mittelprächtiger Qualität herzustellen. Auch wieder dabei sind Bobby Ray’s Waffenfundgrube, der Blumenladen, das Bestattungsunternehmen und die Lebensversicherungen für die eigenen Söldner.

Was wäre ein Jagged Alliance 2-Remake nur ohne Söldner wie Shadow, Raven, Scope, Ivan und den anderen klassischen Charakteren? Die Frage muss man sich nicht stellen, denn die beliebtesten Söldner sind wieder dabei. Wie auch bei allen Sounds des Spieles wurden jedoch auch die Stimmen neu aufgenommen, um eine für die heutige Zeit angemessene Audioqualität bieten zu können. Die originalen Synchronstimmen sind leider nicht mehr dabei. Grund dafür ist unter anderem, dass nicht mehr nachvollziehbar war, welche Sprecher damals die Stimmen eingesprochen haben. Gegenüber dem Originalskript gibt es einige Änderungen, es wurde aber versichert, dass die markanten Sprüche beibehalten werden. Zudem wird darauf geachtet, dass die Sprecher dem Original möglichst sehr nahe kommen.

Jeder Söldner hat unterschiedliche Eigenschaften, wie Gesundheit, Beweglichkeit, Treffsicherheit und Stärke, um mal einige davon zu nennen. In diesem Bereich gibt es einige entscheidende und meines Erachtens sogar sehr schöne Neuerung: Ein Erfahrungssystem. Im klassischen Jagged Alliance 2 verbesserten Söldner zum Beispiel ihre Sprengstofffähigkeiten durch das Entschärfen von vielen Minen. Gleiches galt auch für die anderen Eigenschaften, die ab einem bestimmten Zeitpunkt nur noch mit Verwendung der Fähigkeit verbessert werden konnten. Dies entfällt nun. Im Laufe des Spieles sammeln die Söldner Erfahrungspunkte und erhalten nach und nach auch Fähigkeitspunkte, die frei verteilt werden können.

Im Plan&Go-System bestimmt der Spieler die Aktionen aller Söldner – ohne limitierende Aktionspunkte
Im Plan&Go-System bestimmt der Spieler die Aktionen aller Söldner – ohne limitierende Aktionspunkte

Doch die größte und für viele vielleicht auch umstrittenste Neuerung in Jagged Alliance: Back in Action ist das Plan&Go-System, welches den rundenbasierten Spielmodus ablösen soll. Es sorgt eher für eine Mischung aus Runden- und Echtzeit-Strategie. Bisher nur in Pressemitteilungen erwähnt, wurde das System auf der gamescom nun auch richtig vorgeführt. Plan & Go, so verrät der Name im Endeffekt ja schon, besteht aus zwei unterschiedlichen Phasen: Dem Planen und dem Ausführen selbst. Beim Herumlaufen durch den Sektor ist zunächst alles normal, wie man es bereits kennt. Dann treffen wir auf Widerstand und das Spiel geht in den Pause-Modus. Hier kann für jeden Söldner in Ruhe festgelegt werden, was getan werden soll. Das Gute dabei: Es gibt keine Aktionspunkte mehr.

Der Spieler hat dabei nicht nur die Möglichkeit zu befehlen, dass beispielsweise Raven sich an einer guten Stelle mit ihrem Scharfschützengewehr hinlegt und dann auf bestimmte Feinde, die sie sieht, feuert, sondern kann auch auf andere Aktionen wartet. Als Beispiel: Mit drei Personen sollen zwei Gegner attackiert werden, die in einem Raum lauern und aktuell nicht in Schussreichweite sind. Dimitri kann eine Granate werfen und anschließend in den Raum gehen. Den gleichen Raum sollen auch Gus und Ivan stürmen. Würde alles gleichzeitig geschehen, würden Gus und Ivan durch die Granate verletzt werden. Daher gibt es schon bei der Planung die Möglichkeit zu sagen, dass Gus und Ivan erst dann loslaufen sollen, wenn Dimitri seine Granate geworfen hat. Dadurch bietet das Spiel sogar eine sehr gute taktische Komponente.

Natürlich kann auch zu jedem Zeitpunkt das Spiel wieder pausiert werden, um neue Befehle zu erteilen oder die alten Anweisungen zu ändern. In den Einstellungen kann frei gewählt werden, bei welchen Ereignissen das Spiel automatisch anhalten soll. Ein automatisches Pausieren beim Gegnerkontakt ist also keine Pflicht, aber durchaus empfehlenswert. Damit wird schon ein negativer Aspekt vom alten Spiel direkt gekillt: Die dauernden Unterbrechungen. Es brauchte nur irgendwo ein halb-toter Gegner in unmittelbarer Nähe herumliegen und schon war man gezwungen sich Stück für Stück, soweit es die Aktionspunkte zuließen, dem Gegner zu nähern und ihn zu erlösen. Jetzt können die Söldner dies auch ohne zahlreiche Pausen erledigen, was das Spiel damit schneller und vor allem auch angenehmer macht. Auf dem Screenshot ist am unteren Bildschirmrand zu sehen, wie eine Planung aussehen kann. Die einzelnen Schritte und Aktionen sind ebenso wie Sichtfelder von Gegner und den eigenen Söldnern im Hauptscreen zu sehen. Es ist noch anzumerken, dass sowohl das Interface als auch die Portraitbilder noch nicht final sind und sich bis zum Release noch ändern.

Noch eine angenehme Änderung, die viele zu schätzen wissen dürften, sind unterschiedliche Punkte auf der Karte, die eingenommen werden können. Hat der Spieler mit seinem Squad die Überhand übe diese Punkte, kann es auch passieren, dass der Gegner in Unterzahl die Flucht ergreift. Somit muss nicht mehr ewig lange die Karte nach einem einzigen, übrig gebliebenen Gegner abgesucht werden. Anders herum ergreift aber auch der Gegner die Initiative und greift den Spieler auch aktiv an anstatt nur auf seiner Position zu verharren. Ein beliebtes Feature, über das noch keine Entscheidung feststeht, ist übrigens Quicksave und Quickload. Zum aktuellen Entwicklungsstand war es noch nicht enthalten, aber es zumindest nicht ausgeschlossen, dass es doch noch enthalten sein wird.

Fazit

Sicherlich ist es fraglich, ob es Jagged Alliance: Back in Action wirklich mit dem Klassiker aus dem Jahre 1999 aufnehmen kann. Dies liegt aber eher daran, dass für die eingefleischten Fans des Spieles so ziemlich jede Modernisierung oder Abänderung von Schwachstellen des Originales dazu führen würde, dass das typische Flair verloren geht. Dennoch ist es eine gute und zeitgemäße Alternative zum klassischen Teil, die auch optisch sehr gelungen ist. Das Plan & Go-System mag vielleicht ungewohnt erscheinen, hat aber auf jeden Fall eine Chance verdient, zumal es das gesamte Spielgeschehen etwas schneller gestalten kann. Zusammen mit den anderen Verbesserungen ist es ein würdiges Remake.